Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
der Tür hielt er sie auf. »Bärbel.
Warum haben wir uns gestritten? Warum streiten wir uns?«
    Sie gab keine Antwort. Der Weg zur
Korridortür war kurz. Viel kürzer als sonst. Die helle Wut packte den Feigling.
»Gehst du zu Herrn Jens? Bedankst du dich für die freundliche Information?
Streichst du ihm übers Haar und sagst: Vielen Dank, lieber Jens, du hast mir
die Augen geöffnet, er ist doch ein Schwein, wie konnte ich nur so verbohrt
sein, du hattest recht, in allem recht, ein Greis, ein Feigling, ein Lump,
hätte ich nur auf dich gehört...«
    »Genau«, sagte Barbara.

VI
     
    Die Ellenbogen taten weh, aber der
Feigling merkte nichts davon. Er stand an der Theke. Es war Sonnabend,
siebenundzwanzigster Mai, kein sehr guter Tag, schon vom Wetter her. Der
Feigling hatte acht doppelte getrunken, vier Biere, es war erst der Anfang. Der
Wirt lächelte nicht. Die anderen grölten schon wieder. Schulz sprach Passagen
aus Don Carlos. Der kleine Fuchs war die Prinzessin Eboli, genau konnte er den
Text nicht. Carls wippte auf den Zehenspitzen, seine Augen waren rot und so fröhlich,
als hätte er den Prozeß des Jahrhunderts gewonnen.
    Von hinten schrie Zahmeis: »Wo ist die
Meise? Dieser Kadaver! Ich rieche verfaulendes Fleisch!«
    Der kleine Fuchs lachte gellend.
»Traurigsein hat keinen Zweck — ›Heimkehr‹ schafft die Leichen weg!«
    »Hahaha! Sehr gut! Ausgezeichnet! ›Heimkehr‹!
Fritz! Einen Schnaps für das Rindvieh! Feigling! Wo ist das Mädchen?« Seine
Stimme splitterte an den Wänden hoch. »Man reiche sie mir. Heißgetanzt und
lüstern. Eine Dynastie werde ich gründen! Das Verbrechen auf das Laster
gestützt! Jawohl! Fritz! Bier!«
    Schulz drehte sich langsam um. »Was is’n?
Kommt sie nicht mehr?«
    »Nein«, sagte der Feigling.
    »Hm. Ist auch besser. Mulier taceat in
ecclesia. Hm. Niedlich war sie schon. Die Beine. Hm. Und oben...«
    »Hör auf«, sagte Jakob.
    Schulz stieß seine Zigarette nach oben.
»War vielleicht nicht nett zu ihr. Bin ich nie. Kennst mich, Friedrich! Gib uns
einen für den Witwer.«
    Hinten öffnete sich eine Tür. Ein
junger Mann sah herein, blond und mit leicht gewelltem Haar, vielleicht
fünfundzwanzig. Seine Augen waren fröhlich. »Hallo!« sagte er.
    Niemand antwortete. Niemand rührte
sich.
    Der junge Mann hielt die Tür auf. »Komm
nur, Bärbel«, sagte er. »Die beißen nicht. Alles friedliche Bürger.«
    Für einige Bruchteile von Zeit war es
still, als wäre der Raum leer und niemand darin. Als erster bewegte sich
Schulz. Er drehte sich langsam um seinen aufgestützten Ellenbogen. Sein Gesicht
war finster. Jeder konnte hören, wie er an der Zigarette sog. Der Rauch stieß
in geradem Strahl aus seinem Mund auf den jungen Mann zu. Dann sagte Schulz:
»Friedrich! Ich habe den Eindruck, daß wir uns zurückentwickeln. Über die
Halbstarkenkneipe zum Kindergarten.« Er schraubte sich um seinen Ellenbogen
zurück.
    Der junge Mann lächelte fröhlich. »Ist
das ‘ne Wärmehalle oder ein Lokal, Herr Wirt? Haben nur Pensionierte Zutritt?«
    Das Gesicht von Herrn Friedrich Wuck
bewegte sich so wenig wie das eines Marmordenkmals. »Jeder hat Zutritt, der
sich anständig benimmt, Herr!«
    »Ach, das schaffen wir schon«, sagte der
junge Mann. »Komm. Bärbelchen... Tisch oder Theke?«
    »Tisch«, antwortete Barbara. Die Tür
fiel zu.
    Zahmeis drehte den Napoleonkopf mit den
glasigen Augen. »Da ist sie wieder! Meinen Dreizack her! Ich werde sie
harpunieren!«
    »Kiek eener an«, krähte der kleine
Fuchs. »Hat den Mumm und kommt wieder her! Da staun’ ick aber!«
    Der Rechtsanwalt wippte auf und nieder.
»Bei dem Begleiter! Kein Wunder! Kein Wunder!«
    Barbara setzte sich. Es war der Platz,
an dem beim erstenmal der alte Doktor Meise gesessen hatte, und jetzt merkte
sie, daß er fehlte, als einziger. Sie nickte dem Wirt zu.
    Dann sah sie in das Gesicht des
Feiglings.
    Er stand neben Schulz. Sein Gesicht war
gerötet, einzelne Flecken erschienen schon, und die Lider bewegten sich träge.
Betrunken war er. Widerlich besoffen.
    »Das ist er«, sagte Barbara. »Neben dem
mit der dicken Zigarre.«
    »Oh«, sagte Jens. Er betrachtete den
Feigling mit höhnischer, verachtungsvoller Bewunderung. »Eine beachtliche
Erscheinung. So gereift.«
    Es ging unter in den Worten von Carls.
Er hob sein Glas gegen den Tisch, machte federnde Verbeugungen. »Willkommen!
Vielmals Willkommen!« Er wandte sich dem Feigling zu. »Mein lieber Jakob... der
Tatbestand des Ehebruches scheint mir

Weitere Kostenlose Bücher