Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
Vom Netzwerk:
seinem
Gesicht. »Vor allem wollen wir uns nicht streiten, mein Kind. Dazu sehen wir
uns zu selten. Also er schreibt... wo ist es... hier... du hättest da einen
Mann, vierzig, Beruf unbekannt.«
    »Schriftsteller.«
    »So? Aha. Interessant. Ja... und ihr
wäret immer zusammen, äh... du warst auch schon über Nacht bei ihm.«
    »Du brauchst nicht weiterzulesen.«
    Er hob die Hand. »Augenblick,
Augenblick! Wie gesagt, man kann zu der Methode von Herrn Jens stehen wie man
will... ich schätze sie zum Beispiel nicht... es klingt so nach: »Herr Lehrer,
die Barbara hat abgeschrieben‹... und natürlich fehlt auch der Hinweis nicht,
daß er sich in völliger Selbstlosigkeit zu diesem Schritt entschlossen hätte,
einzig bewegt von der aufrichtigen Sorge, und so weiter... alles geheuchelter
Blödsinn... kurzum, was ich wissen möchte — stimmt es?«
    »Ja«, antwortete Barbara. Sie schämte
sich nicht, hatte nur ein bißchen Furcht. Trotzdem war sie gespannt. Es war nie
langweilig, sich mit ihrem Vater zu unterhalten.
    Er legte den Brief auf den Tisch.
»Wollen wir rauchen?«
    Das war typisch. Sie nickte.
    »Hol uns eine vom Rauchtisch. Brenn
meine mit an.«
    Er sah ihr zu, immer mit dem gleichen
Lächeln, bis sie wieder saß.
    »Ist er verheiratet?«
    »Nein.«
    »Weißt du das genau?«
    »Ja.«
    »Irrtümer sollen vorgekommen sein.«
    »Bei ihm weiß ich es genau.«
    Ihr Vater nahm sein Kinn in die Hand.
»Sieh mal... ein Mann von Vierzig macht sich’s leicht. Bekanntlich soll dann
das Leben anfangen, ich kenne das. Für den ist ein Mädchen von neunzehn eine
feine Sache.«
    »Jens behauptet das Gegenteil«, sagte
sie bitter.
    »Jens ist ein Idiot«, erwiderte er
trocken.
    »Aber besser wäre es, wenn ich mich mit
ihm abgeben würde. Weil er jung ist.« Ein Teil Kampfgeist erwachte.
    »Gut ist es nicht unbedingt. In keinem
Fall.« Er sprach leise, konzentriert, als hätte er einen mächtigen Mann und ein
wichtiges Geschäft vor sich.
    »Natürlich kann ich nicht sehen, was du
so machst. Natürlich will ein Mädchen leben, wie man so sagt... sogar die
eigene Tochter. Natürlich geschehen jeden Tag auf der ganzen Welt unerlaubte
Dinge... überall. Die Frage ist, ob man sie deswegen erlauben sollte.«
    Barbara schwieg.
    »Wie heißt er?«
    »Hase«, sagte sie leise. »Jakob Hase.
Er... schreibt unter Hare. Jonathan Hare.«
    »Nie was gelesen.«
    »Ich auch nicht.«
    Sie lachten beide.
    Barbara liebte ihren Vater.
    »Na, ich lese ja auch nicht viel. Will
er dich heiraten?«
    »Wir haben nicht darüber geredet.«
    Er nickte. »Kann ich mir denken«, sagte
er im gleichen Tonfall, in dem er vorhin über Jens gesprochen hatte. »Ihr
werdet auch nicht darüber reden.«
    »Ich will gar nicht.«
    »Auch wenn du wolltest.«
    »Weil er nicht daran denken wird. So
bequem kriegt er es nie wieder. Wenn er noch nicht verheiratet ist, warum
sollte er jetzt damit anfangen? Ich kenne Männer. Sehr viele. Ich kenne auch
mich.«
    »Vielleicht schließt du zu sehr von dir
auf andere...«
    »Von mir, wolltest du sagen.
Vielleicht. Willst du drei Jahre vertrödeln und dann von vorne anfangen?«
    »Soll ich denn jetzt schon heiraten?
Mit neunzehn?«
    Er hörte auf zu lächeln. Ganz langsam.
Barbara bekam Angst.
    »Hast du jemals daran gedacht, daß ich
etwas anderes mit dir vorhaben könnte?« fragte er.
    »Was?«
    »Was? Eine Familie. Eine Familie, die
zu uns paßt, in unseren Kreis.«
    Barbara überwand ihre Furcht. Damit war
nichts zu erreichen.
    »So ging’s früher bei Hofe zu«, sagte
sie.
    »Ja. Ganz richtig. Es war nicht immer
das Schlechteste.«
    »Und wen suchst du mir aus? So ein
Gummimännchen wie Jens?«
    »Jens ist ganz unwichtig«, sagte er.
»Mit diesem Brief hat er alles getan, was er zu tun hatte. Und ein
Gummimännchen, wie du dich auszudrücken beliebst, suche ich dir nicht aus.«
    Sie sah an ihm vorbei, mit bösem
Gesicht, voller Trotz. Er merkte, wie sehr sie seine Tochter war.
    »Warum hast du mich dann erst
weggeschickt? Zum Studieren? Es war doch klar, daß ich jemanden kennenlerne,
eines Tages. Soll ich Nonne spielen?«
    »Du sollst dich vernünftig benehmen.
Hast du dir überlegt, was passiert, wenn du ein Kind kriegst?«
    Sie hatte es sich noch nicht überlegt.
»Er würde mich heiraten.«
    »Er wird den Teufel tun, mein Kind.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Das weiß ich.«
    Es war still für ein paar Sekunden.
Barbara spürte, wie sie traurig wurde. Wenn er doch wieder lächeln würde!
    Er lächelte. »Paß auf,

Weitere Kostenlose Bücher