Der Feigling
und der
Feigling wunderte sich und freute sich zugleich. Der Gürtel ihres Regenmantels
war eng angezogen, am liebsten hätte er um diese Taille gefaßt und Barbara
geküßt, aber er half ihr beim Ausziehen und hängte den Mantel auf.
Sie trug wieder das weiße Leinenkleid
wie am ersten Tag, die fleischgewordene Unschuld und Verführung. Alle
Erinnerungen kamen wieder wie ein Bündel Pfeile.
»Ich dachte nicht, daß du noch mal
erscheinen würdest«, sagte er.
»Ich will nur was abgeben.«
Im Zimmer packte sie das Päckchen aus.
Ein halbes Pfund Beefsteak-Tatar von der besten Sorte. Der Feigling sah
verblüfft darauf hinunter.
»Ich hab’ schon gegessen«, sagte er.
»Das ist nichts zum Essen. Ist prima
für blaue Augen. Saugt alles raus. Paß auf, ich mach dir ein Pflaster damit.«
Er konnte nichts erwidern. Alles
mögliche hatte er erwartet, nicht das. Tatar. Sie war das süßeste Mädchen oder
die raffinierteste Agentin des Erdballs. Der Chef hätte sie sehen müssen.
»Kopf zurück! Augen zu!« sagte sie.
Er lehnte den Kopf nach hinten. Im
nächsten Moment spürte er den Fleischbrei auf dem geschwollenen Polster über
dem linken Auge. Barbara kicherte und knetete mit den Fingern daran herum.
»So, nun Hand drauf! Prima! Sollst
sehen, wie das hilft!«
»Muß ich es die ganze Nacht
festhalten?«
»Natürlich! Bis morgen früh, dann
wechseln. Ist noch genug da. Warte, ich wasch mir die Hände.«
Sie lief hinaus. Er öffnete das rechte
Auge, stand schnell auf. Er sicherte den Revolver und legte ihn lautlos an
seinen Platz zurück.
Barbara kam, als er längst wieder saß.
»Wie fühlst du dich?»
»Fabelhaft. Klebt ein bißchen.«
»Daran gewöhnst du dich. Willst du
rauchen?«
»Ausnahmsweise. Hab’ eine Hand frei.«
Sie gab ihm die brennende Zigarette. Er
schwieg und sah sie an. Nach einer Minute sagte sie: »Es tut mir leid wegen
gestern, Greis.« Ihr Gesicht hinter dem Rauch war ziemlich zärtlich.
»Warum? War meine Schuld.«
»Nein. Es war meine. Ich hätte Jens
nicht mitbringen sollen.«
»Du kannst mitbringen, wen du willst.«
»Ich war so wütend... hatte mich
geärgert über die blöde Geschichte mit dem Heiraten... da hab’ ich ihn
mitgenommen, um dich zu ärgern...«
»Du hast es geschafft. Und ich hab’ die
Prügel gekriegt.«
»Du warst blau. Daran lag es.«
»Ich hätte sie auch nüchtern gekriegt.
Ich bin nun mal kein Held, Bärbel. Deswegen auch der Streit mit dir übers
Heiraten.«
Sie schwieg. Sie dachte an das Kreuz in
seinem Schrank und an die Worte des alten Doktors.
Er log, sie wußte es, aber sie konnte
nicht fragen, warum, er würde weiterlügen.
Der Feigling sah sie an, mit einem Auge
nur, es reichte vollkommen. Sie war wiedergekommen. Es fiel ihm jetzt so
schwer, sich zu verstellen, viel schwerer als früher. Nicht mehr lange, zwei
Tage noch, konnte sein, daß er sie nie mehr sehen würde. Da sollte man noch
Theater machen.
»Greis?«
»Yes, Ma’am?«
»Vertragen wir uns wieder?«
»Haben wir schon. Tatar leimt alles.«
Sie lächelte. Er hatte Sehnsucht, über
ihre Beine zu streicheln, aber er blieb sitzen und hielt das Tatar fest. Sie beugte
sich vor. »Häschen... hättest du am Dienstagabend Zeit?«
Der Feigling schloß das rechte Auge,
als hätte es ihn ermüdet, es offenzuhalten. Ein Verdacht schoß in ihm hoch,
häßlich und schwer. Aber die Worte des Chefs fielen ihm ein. Gute Zensuren.
»Warum? Kindtaufe?«
»Quatsch nicht so blöd. Bei uns in der
Hütte ist ‘ne Party. Geburtstag von Wirtin Wundermild. Ich brauche einen Tischherrn,
der immer schön einschenkt und viel mit mir tanzt.«
»Kann Jens das nicht machen?«
»Greis!«
»Verzeihung. Ich dachte nur, er wird
mir das andere Auge auch noch blau hauen, und das Tatar langt nicht für zwei.«
»Jens ist gar nicht da. Kommst du?«
Der Feigling sprach langsam und
freundlich. »Ich käme, Fräulein. Trotz Jens und Blessur und Aussicht auf neue
Schmach.«
»Aber?«
»Aber es geht nicht am Dienstag.«
Hast du schnell ein anderes Mädchen?
Nur wegen des bißchen Ärgers?«
»Bißchen ist gut«, sagte er grinsend.
»Nein, ich habe kein anderes Mädchen. Aber durstige Brüder im Biere. Und mit
denen mache ich am Dienstag einen Ausflug.«
Barbara wollte den Schreck
unterdrücken. Etwas davon kam in ihr Gesicht. Ausflug. So schnell. Sie hatte
nicht mehr daran gedacht, hatte den Alten vergessen mit seinen verworrenen
Andeutungen.
Ausflug.
Der Feigling hatte sie beobachtet.
»Was ist!
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