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Der Feigling

Der Feigling

Titel: Der Feigling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Gruhl
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zu
Leichentuch. Nur der helle Griff des Messers ragte darüber.
    Der Kleine sah es an.
    Das Messer, mit dem er Barbara
erstechen wollte. Ein Segen, daß er es nicht getan hatte. Ein Segen, daß er das
Messer nicht weggeworfen hatte.
    Willy, dachte er.
    Nu is’ jut.
    Er wischte sich über den Mund. Dann
ging er zurück ins Zimmer, dorthin, wo das Telefon war.
    Er zog seine Jacke aus und hängte sie
über den Stuhl. Das Schulterhalfter schnallte er ab. Endlich war man die Riemen
los. Er glaubte nicht, daß noch jemand kommen würde. Es sah so aus, als wäre
die Arbeit getan. Er setzte sich und wählte. Die Stimme meldete sich. Es war so
tröstlich, daß er immer da war. Als riefe man den eigenen Papa an, wenn man um
Vorschuß bitten wollte.
    »Fuchs?«
    »Hallo, Meister. Keenen Anschiß, wenn’s
jeht. Bin ‘n bißken anjegriffen.«
    »Das kann ich mir denken.«
    »Ja. Vielen Dank ooch, daß du den
Friedrich jeschickt hast. Sonst wär’ Jakob seine Zimmerlinde jetzt kalt. Und
ick ooch.«
    »Glück gehabt, Füchslein.«
    »Kann man wohl vor sich hinmurmeln.
Fast zuviel auf einmal. Erst draußen im Wald mit den drei Pilgern. Denn bei dem
Mädchen. Und jetzt eben. Dreimal hätt’ ick schon tot sein müssen.«
    »Dreimal?«
    »Hm. An Stelle von Bärbelchen ha’ ick
jemand anders umjelegt. Unseren lieben alten Onkel. Er liegt in meine
Abstellkammer. Uff de linke Seite is er ‘n bißchen schwerer. Da steckt mein
Taschenmesser.«
    Von drüben kam ein ganz leiser Pfiff,
und es war das erste Mal, daß der kleine Fuchs so etwas vom Meister hörte. War
er auch mal sprachlos?
    »Sieh einer an! Der alte, blinde
Indianer! Erzählen!«
     
    *
     
    Fuchs erzählte von der letzten halben
Stunde. Es ging schnell.
    »Prima, mein Lieber! Prima. Hast alles
wieder rausgerissen. Und mir noch ‘ne Arbeit abgenommen. Und die Sache mit den
Schuhen hinterm Vorhang... alle Achtung! Ich werde es der Zentrale erzählen.
Was machst du da?«
    »Ick ha’ mir eben selbst uff de
Schulter jekloppt, Meister.«
    »Das darfst du auch. In jeden Apparat
sickern feindliche Brüder ein. Ganz klar, daß es auch bei uns passieren würde.
Wir wußten, daß einer in unserem Klub herumspukte. Nacheinander hatte ich euch
alle in Verdacht. Manchmal sogar mich selber. An den Alten hab’ ich nicht
gedacht im Anfang... eben, weil er so alt war. Und den guten Willy hatte ich
beauftragt, sich besonders um die Sache zu kümmern. Er muß dem Alten auf die
Schliche gekommen sein, aber der hat es gespannt und ihn kurzerhand erledigt...
bißchen geplaudert sozusagen.«
    Der Kleine nickte mit grimmigem
Gesicht. »Wollt’ er bei mir ooch machen. Hat sich ausjeplaudert.«
    »Dann kam ich langsam dahinter. War mal
in seiner Wohnung. Da hängt ein schönes Bild von der Goldenen Stadt Prag. Die
Zentrale hat sich darum gekümmert und einiges gefunden, was gegen den armen
alten Privatgelehrten sprach. So privat war er gar nicht. Er war aus Böhmen,
erst war er Österreicher, dann Tscheche, und dann ist er bei uns aufgetaucht.
Aber das war alles furchtbar lange her, fast nicht mehr wahr, hat immer so
ausgesehen, als wäre er seit fünfzig Jahren im Ruhestand. So kann man
reinfliegen mit älteren Herren. Hat ihm aber schließlich alles nicht geholfen.
Und den Rest hat ihm gegeben, daß er die Bärbel eingespannt hat, um
rauszukriegen, wann ihr euren Ausflug macht. Jakob hat es ihr erzählt, hat sich
nichts dabei gedacht. Sie hat Angst gehabt und es dem alten Meise erzählt. Und
deswegen sind Walter und Sebastian draufgegangen.«
    »Es ist zum Kotzen«, sagte der Kleine.
    »Das ist es. Es klappt eben nicht immer
alles, wie es sollte, und eine Lebensversicherung ist unser Verein nicht, das
weißt du. Als ich hörte, daß sie dem Alten vom Ausflug erzählt hatte, da ahnte
ich böse Zeiten voraus, aber es war nichts mehr zu ändern, die Sache lief. Dann
kamen keine Nachrichten, da wurde mir noch finsterer zumute. Gottlob hat Jakob
angerufen, von seinem Schmerzenslager aus, so viel Grips hatte er noch. Völlig
klar, daß nur der Alte in Betracht kam. Ich war schon dabei, mich um ihn zu
kümmern...«
    »Wollte er bei dir auch tun. Sagte, er
ahnte etwas.«
    »Kann schon sein. Blöd war er nicht.
Aber ich wußte es. Deswegen habe ich auch Friedrich gesagt, daß du dich
schleunigst nach Hause scheren solltest und mich anrufen.«
    »Hiermit jeschehen, Meister. Aber platt
bin ick doch. Und Jakob hat an Bärbelchens Verpfiff jegloobt wie ein
Heilpraktiker an seine Knoblauchpillen.«
    »Ach

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