Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)

Titel: Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
Vom Netzwerk:
die täterloyalen bzw. täteridentifizierten Anteile, Zustände oder abgespaltene Persönlichkeitsbereiche „auszutreiben“ oder feindselig zu behandeln. Was wird das bewirken? Meist wohl dies: Entweder wird die Therapie über kurz oder lang abgebrochen. Oder wenn eine neue Bindung in der Psychotherapie entsteht, werden die entsprechenden Teilbereiche der Gesamtpersönlichkeit in den Betroffenen „brav“ geleugnet, weiter abgespalten, gewalttätig behandelt – und äußerlich passt sich die Persönlichkeit der neuen Bindungsperson (TherapeutIn) wiederum an. Das hat sie ja perfekt gelernt, das kann sie wunderbar. Empfehlenswert? Eher nicht, selbst dann nicht, wenn Teilbereiche der KlientInnenpersönlichkeit geradezu darum betteln, weil sie „genervt“ sind oder sich sogar extrem gequält fühlen von den aufgenommenen und entwickelten so destruktiv erscheinenden Anteilen oder anderen inneren „Leuten“: „Mach das / die weg!“ Was aber kann man sonst tun?
    Entscheidend ist nicht der Inhalt, sondern die Struktur
    Warum nicht auch diese Teile der Persönlichkeit mit Wertschätzung, Sorgfalt, Achtsamkeit und Respekt behandeln? Wenn das schwierig erscheint, empfehle ich Folgendes, das ich auch KlientInnen so sage: Achten Sie nicht so sehr darauf, was die Täterintrojekte jeweils im Einzelnen sagen – sie wiederholen das, was die Persönlichkeit im Moment der höchsten Not zwangsweise aufnehmen musste, und das sind meistens Sätze, Gefühlszustände oder Impulse der äußeren Quäler. Sondern achten Sie darauf, wann diese „andere Seite im Innern“ sich meldet. Denn das könnte eine sehr wichtige Bedeutung haben. Und zwar deshalb, weil diese „andere Seite“ ein Teilbereich der eigenen Persönlichkeit geworden ist. Immer, wenn sich von dort etwas ins Alltagsbewusstsein eindringend oder innerlich als Stimmungsabfall oder sadomasochistische Reinszenierung bemerkbar macht, könnte das eine bestimmte Funktion in der Gesamtpersönlichkeit haben. Mit anderen Worten: Nicht der Inhalt, sondern die Struktur könnte hier die Funktion bestimmen. Die Persönlichkeitsstruktur hat sich nicht „gegen“ diese Anteile entwickelt, sondern mit ihnen. Wenn nun die destruktiven Anteile „laut“ werden, hat das eine strukturelle Bedeutung für die gesamte Persönlichkeit. Und zwar möglicherweise auch eine überlebenswichtige.
    An komplex dissoziativen Persönlichkeiten mit stark abgespaltenen Teil-Identitäten lässt sich das gut studieren. Typischerweise melden sich die „gemeinen, bösen und kalten“ Seiten der Persönlichkeit ausgerechnet immer dann, wenn sich die anderen Bereiche der Persönlichkeit schwach und schlecht fühlen. Warum? Gegenfrage: Warum haben manche von Ihnen, die Sie das jetzt lesen, das Gefühl, sie müssten sich gelegentlich „selbst in den Hintern treten“, wenn sie etwas schaffen wollen? Etwa weil das schon einmal erfolgreich war? Ja, wir möchten alle liebevoll und achtsam und freundlich und wertschätzend miteinander umgehen, auch innerlich. Und wie reden Sie mit sich, wenn Sie glauben, sich unbedingt zu etwas disziplinieren zu müssen? „Stell dich nicht so an!“, „Nun mach schon!“, wird vermutlich das Mindeste sein, was Sie sich innerlich zurufen. Und woher das kommt, können Sie bei näherem Nachdenken rasch herausfinden: Weil jemand von ihren primären Bindungspersonen so war – und / oder weil Sie im Laufe des Heranwachsens bemerkt haben, dass es etwas nutzt, wenn Sie so harsch mit sich sind. Und wie wäre das, wenn wir in einer gemeinsamen Psychotherapie dann ihre innere KritikerIn austreiben wollten?
    Beispiel: Der innere „Er“
    Eine hoch dissoziative junge Frau, mit der ich vor vielen Jahren in einer Klinik gearbeitet habe, antwortete spontan auf meine Frage, was wohl wäre, wenn es den inneren „Er“, der sie immer wieder zwang, nichts zu essen – es war rasch klar, dass es dabei um das Thema „Kontrolle“ ging –, wenn es den also gar nicht mehr gäbe, was dann passieren würde? „Wir würden auseinanderfallen.“ Weshalb? „Weil ‚Er‘ für Ordnung sorgt.“ Sie war selbst über ihre Antworten erschrocken, weil sie noch wenige Minuten zuvor heftig verlangt hatte, diese „Scheißstimme da innen wegzumachen“. Sie hatte zeit ihres Lebens genau das versucht, aber selbst massive Dosen von Heroin hatten diese Stimme nicht vertrieben. Ja, es war hart für sie zu akzeptieren, dass diese Stimme, die ihr immer wieder verbot zu essen (und, wenn es schlimm kam, auch: zu

Weitere Kostenlose Bücher