Der Feind im Innern: Psychotherapie mit Täterintrojekten. Wie finden wir den Weg aus Ohnmacht und Gewalt? (German Edition)
im Laufe der Zeit). Das gilt immer, aber ganz besonders während der Zeit der Verhandlungen um Tolerierung von therapeutischen Fortschritten und später während der aktiven Unterstützung durch die ehemaligen „dunklen“, anti- oder täteridentifizierten Anteile. Es geht um „Wandel durch Annäherung“ sozusagen. Das ist schwer durchzuhalten, insbesondere bei StraftäterInnen und Menschen, die mit Impulskontrollproblemen ringen. Manche, besonders EntscheiderInnen und AusbilderInnen, aber auch viele konkret an der Basis arbeitende SozialarbeiterInnen und PsychotherapeutInnen glauben, mit „schwierigen“ KlientInnen so wertschätzend umzugehen, so individuell, so auf sie zugeschnitten mit dem Behandlungsprogramm, das ginge nicht.
Doch, das geht. Sehr gut sogar, auch bei Gewaltüberlebenden, die selbst bereits zum Täter oder zur Täterin geworden sind, wenn diese ernsthaft in der Psychotherapie arbeiten. Und es gibt weitaus mehr, die das wollen, als jemals Therapien bewilligt werden. Auch in diesem Buch finden Sie Beispiele dafür (siehe etwa das Interview 6 mit Marianne Wick ). Ich habe es selbst häufig erlebt und die KollegInnen, die mit Menschen in solchen schwierigen Situationen arbeiten, einschließlich der Forensiker, erzählen mir oft davon.
Wenn wir nicht als PsychotherapeutInnen die individuelle Förderung unserer KlientInnen im Auge und dabei ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten ebenso im Dialog behalten wie unsere eigenen Möglichkeiten und Grenzen; wenn wir uns nicht einlassen auf diese Menschen, ohne ihren Gewalterfahrungen wieder mit Gewalthandlungen und Gewaltfantasien zu begegnen – wer dann?
Ja, manche Menschen sind so gefährlich, dass wir darauf bestehen müssen, dass sie unter Verhaltenskontrolle gehalten werden und sich rein äußerlich anpassen, obwohl das innerlich nicht mit ihren Denk- und Fühlweisen übereinstimmt (siehe Interview 11 mit Frank Urbaniok ). Aber das sind sehr wenige. Alle anderen profitieren davon, dass wir uns bemühen, einen Zugang zum „Drachen in ihrem Inneren“ zu bekommen, ihn zu erreichen, zu berühren, ihn anzuregen, sich zu verändern. Und sehr viele Menschen reagieren auf ein solches Angebot, indem sie sich wirklich öffnen – dem Schmerz, der Erkenntnis, der Veränderung. Das tun sie nur, wenn sie spüren, dass da jemand ist, den man auf Jiddisch „a Mensch“ nennt. Genau das ist es, was sie brauchen: ein aufrichtiges, freundliches, ihnen offen und aufrichtig begegnendes, sie gewaltfrei förderndes und annehmendes Gegenüber, das – bei aller Klarheit und Autorität, bei allem Grenzensetzen und Regeln-Vertreten – freundlich und wo immer möglich auch liebevoll ist. Und ich meine: Genau das ist es, was auch diese Gesellschaft braucht.
11. Therapie – aber wie?
Dieses Kapitel kann kein Lehrbuch der praktischen Beratung und Therapie mit komplex traumatisierten Menschen ersetzen. Diejenigen, die sich genauer informieren wollen, finden am Ende dieses Beitrags Hinweise auf eine ganze Reihe von Lehrbüchern . An dieser Stelle möchte ich einige Hinweise geben, speziell zum Thema Arbeit mit Gewaltüberlebenden, die mit Täterintrojekten ringen, die sie innerlich quälen und / oder sie nach außen zum Täter werden lassen.
Jede Therapie mit Traumaüberlebenden, egal ob ambulant oder stationär, ob von der Kasse bezahlt, von einer PsychologIn oder ÄrztIn durchgeführt oder privat finanziert, ob in einer Beratungsstelle oder einer Heilpraktiker- oder Kunsttherapie-Praxis oder in einem Gefängnis ... jede ernst zu nehmende Therapie mit Traumaüberlebenden hat eine ganz bestimmte Struktur, weil sie sonst nicht funktionieren kann. Eine traumatherapeutische Arbeit, schon erst recht eine, die innere destruktive Anteile in der Klienten- / Patienten-Persönlichkeit behandeln will, muss unbedingt eine Einzeltherapie sein. Alles andere ist gut zum Ergänzen, Erweitern, Eröffnen neuer Perspektiven. Doch nur im „Einzel“ kann das Vertrauensverhältnis zustande kommen, das wirklich zu einer Persönlichkeitsveränderung führen kann.
Gruppentherapie allein ist sinnlos, um das mal sehr klar auszudrücken, denn dieses Klientel braucht zum Lernen den direkten, nahen, persönlichen Face-to-face-Kontakt mit einem verlässlichen und kompetenten Therapeuten oder einer Therapeutin. Es empört mich jedes Mal, wenn ich stationäre Behandlungsprogramme in psychotherapeutischen und psychiatrischen Kliniken sehe, die fast ausschließlich Gruppentherapie plus einer halben
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