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Der Feind im Spiegel

Der Feind im Spiegel

Titel: Der Feind im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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versuchte, praktisch zu denken.
    »Wie haben die uns gefunden? Haben Ihre Leute keinen Schatten gesehen?«
    »Leider nein. Aber wir sprechen von einer Organisation mit beträchtlichen Ressourcen, das heißt, vielleicht hat man Sie und Ihre …«, er zog das Wort in die Länge, »… reizende Assistentin auf die gleiche Weise aufgespürt wie wir. Sie sind ein Profi, Herr Toftlund. Ihre Assistentin leider noch nicht.«
    »Scheiße!«
    »Sie sagen es, Herr Toftlund, Die größte Klatschbase der Welt.«
    Er hatte überhaupt nicht mehr daran gedacht, aber jetzt sah er es plötzlich wie in einer Rückblende, wie Aischa auf dem Flughafen von Venedig ihr Handy aus der Handtasche geholt hatte. Das machen die meisten Passagiere inzwischen schon ganz automatisch. Nur mal eben gucken, ob man Empfang hat und mit welcher Telefongesellschaft. Er hatte ihr etwas sagen wollen, wurde aber abgelenkt, weil sich ein anderer Fluggast zwischen sie gedrängt hatte. Sein Fehler. Vielleicht hatte er gedacht, sie würde es schon wieder ausschalten. Das hatte man ihr beim Sicherheitstraining doch auf jeden Fall eingetrichtert, verflixt noch mal! Mobiltelefone sind unbedingt auszuschalten, wenn man sichergehen will, daß man nicht aufgespürt wird. Er hätte es ihr sagen müssen. Es war sein Fehler. Er könnte ihr die Schuld zuschieben, aber eigentlich war es sein verfluchter Fehler.
    »Und nun?« fragte er resigniert.
    »Nichts weiter. Sie sind auf einen Flug heute nachmittag gebucht. Den nehmen Sie. Die Kerle sind selber schuld, daß sie von Ihnen so unhöflich behandelt wurden, und wir werfen sie aus dem Land, sobald sie uns erzählt haben, was sie wissen. Irgendwann werden sie sowieso wieder an unserer langen Küste anlanden, auf einem dieser Seelenverkäufer. Ibrahims Fall ist unser Fall. Ihre Chefin war übrigens derselben Ansicht, als ich heute morgen mit ihr telefoniert habe.«
    »Sie haben mit Vuldom gesprochen?« Toftlund war platt.
    »Eine höchst effektive und sehr angesehene Frau. Es ist stets ein Vergnügen, mit ihr zu tun zu haben, was leider viel zu selten der Fall ist. Wir sind uns auch einig, die Geschichte für uns zu behalten. Es gibt keinen Grund, die örtliche Polizei einzuschalten. Und Fräulein Hussein und Sie können heimfahren, als wäre nichts geschehen.«
    »Okay.«
    »Aber wie Sie wissen, werter Kollege, gibt es in unserem Metier nichts umsonst. Aus diesem Grund hat mir die verehrte Frau Vuldom versprochen, daß Sie uns in vollem Umfang über Ihre Ermittlungen über den mysteriösen und doch so realen Thronfolger auf dem laufenden halten werden. Unsere bisherige Zusammenarbeit ist eher formaler als konkreter Natur gewesen. Es herrscht Einigkeit darüber, daß unsere Dienste ihre jeweiligen Informationen ab sofort etwas kontinuierlicher austauschen sollen.«
    »Schon klar. Ich schulde Ihnen was.«
    »Allerdings. Sie haben in Italien noch eine Rechnung offen, die ziemlich gesalzen ist, Herr Toftlund.«

DRITTER TEIL
DIE SPIEGELWELT
    »Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?«
    »Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin du möchtest«, sagte die Katze.
    »– solange ich nur irgendwohin komme«, fügte Alice zur Erklärung hinzu.
    »Das kommst du bestimmt«, sagte die Katze, »wenn du nur lange genug weiterläufst.«
    Lewis Carroll, Alice im Wunderland

21
    An einem der letzten Junitage fuhr Vuk über die Große-Belt-Brücke, die ihn ungeheuer beeindruckte, und lauschte im Autoradio einer Sendung über erkrankte Haustiere. Ein Tierarzt antwortete auf diesbezügliche Fragen – das Spektrum reichte von Wellensittichen über Hunde bis zu Pferden. Die Dänen schienen mehr mit ihren animalischen Lieblingen beschäftigt zu sein als mit ihren Nachbarn, dachte er und versuchte gleichzeitig darauf zu achten, ob im Dänischen eventuell neue Wortkreationen entstanden waren.
    Als er das letztemal den Großen Belt überquert hatte, damals noch auf der Fähre, war es eine kalte Nacht mit dahintreibenden Wolken und einem bleichen Mond gewesen. Heute war es hell, die Sonne stand hoch, und der neue Mietwagen fuhr mühelos die imposante Hängebrücke hinauf. Seeland lag ausgebreitet zu seiner Rechten. Schon nach wenigen Minuten hatte er sich wieder an das Schaltgetriebe gewöhnt. Aber allein zu sein und unbewacht, daran hatte er sich noch nicht wieder gewöhnt. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Er konnte fahren, wohin er wollte. Er war nicht mehr angeleint. Aber natürlich war das eine Illusion. Er war

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