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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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was ich finde?«
    »Du findest, dass ich ein unglaublicher Trottel bin.«
    »Ich finde, dass du die liebste, loyalste und großzügigste Freundin bist, die die Welt je gesehen hat.«
    »Oh.« Ich spürte, dass ich rot wurde, auch wenn man das im Dunkeln natürlich nicht sah.
    »Hast du dir das wirklich gut überlegt?«
    »Ich glaube schon.«
    »Weiß Holly es überhaupt zu schätzen?«
    »Ich werde ihr erst mal nichts davon sagen. Ich möchte einfach, dass sie keine Angst haben muss, wenn sie aus dem Krankenhaus kommt.«
    »Dann möchtest du also nicht einmal einen Dank dafür. Das ist definitiv nicht normal.«
    »Diese Dinge spielen inzwischen keine Rolle mehr«, sagte ich und wusste in dem Moment, dass das stimmte. »Es ist eher eine Frage von Leben oder Tod, Wahnsinn oder Nicht-Wahnsinn. Ich habe das Gefühl, mir bleibt keine andere Wahl.«
    Einen Moment lang schwiegen wir beide. Er streichelte mir geistesabwesend übers Haar.

    »Was denkst du?«
    »Ich denke, du hättest schon eher mit mir darüber reden sollen.«
    »Das wollte ich, aber es war eigentlich Hollys Geheimnis, nicht meines.«
    »Du hättest da nicht allein hinfahren dürfen.«
    »Ich hatte Lola dabei.«
    »Na großartig.« Er kannte Lola.
    »Es gab ja zum Glück keine Probleme.«
    »Und du willst das wirklich durchziehen?«
    »Ja.«
    »Ich könnte viertausend beisteuern. Das ist alles, was ich habe.
    Sogar schon ein bisschen mehr, als ich habe.«
    »Nein!«, sagte ich. »Nein, nein und noch mal nein. Das wäre nicht richtig. Du kennst Holly doch kaum. Ihr seid euch nur ein einziges Mal begegnet, und da war sie ziemlich grob und unhöflich zu dir. Wenn ich geahnt hätte, dass du mir Geld anbieten würdest, hätte ich dir nichts davon erzählt. Jetzt fühle ich mich ganz schrecklich.«
    »Ich möchte dir aber helfen.«
    »Nein.«
    »Meg, ich möchte. Mein Entschluss steht fest.«
    »Aber das geht nicht – ich kann kein Geld von dir annehmen.«
    »Warum nicht?«
    »Ich kann einfach nicht.«
    »Dann betrachte es doch einfach als Kredit.«
    »Aber …«
    »Aber ohne den wöchentlichen Zins.«
    »Todd.«
    »Was?«

    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Musst du unbedingt etwas sagen?«

    Die restlichen tausend Pfund lieh ich mir von Trish und einer alten Schulfreundin, die in der City arbeitete, in Camden ein großes Haus besaß und für jedes Paar Schuhe, das sie erstand, fünfhundert Pfund ausgab. Ich erklärte ihnen, dass ich gerade ein kleines Liquiditätsproblem hätte und ihnen das Geld gleich nach Weihnachten zurückzahlen würde. Alle Beteiligten waren ein wenig verlegen.

    *
    Am Montagmorgen war mir vor Nervosität richtig flau im Magen. Ich versuchte, ganz normal meine Arbeit zu machen, konnte mich aber auf nichts konzentrieren. Ich brauchte eine Stunde, um ein paar routinemäßige E-Mails zu beantworten und sah dann im Schneckentempo die Post durch. In der Mittagspause ging ich zu meiner Bank und hob elftausendfünfhundert Pfund ab. Damit hatte ich mein normales Konto um vierhundert-sechs Pfund überzogen, und auf meinem Sparkonto verblieb mir noch eine Summe von 1,56 Pfund. Das Gefühl, das ich empfand, während ich die Banknotenbündel in eine Plastiktüte und dann in meine Schultertasche steckte, hatte fast etwas von einem kleinen Schwips: Es war eine Mischung aus heroischer Selbst-aufopferung, Traurigkeit, Wut und einer seltsamen Euphorie.
    Ich war es nicht gewohnt, solche wilden, dramatischen Dinge zu tun. Es kam mir vor, als wäre ich in die Haut eines anderen Menschen geschlüpft.
    Ich traf mich mit Todd vor seinem Büro. Er schlich wie ein Ganove zur Tür heraus und spähte erst einmal übertrieben nach rechts und links. Dabei hielt er eine abgewetzte Aktenmappe an die Brust gepresst, die ich noch nie gesehen hatte.
    »Hallo«, begrüßte er mich fast flüsternd, musste dann aber über sich selbst grinsen.
    »Hast du Hunger? Sollen wir erst irgendwo einen Happen essen?«
    »Was? Mit diesem ganzen Bargeld in der Tasche? Lieber Himmel, Meg, lass uns die Sache ganz schnell hinter uns bringen, bevor wir das Geld verlieren oder überfallen werden.«
    »Geht es dir nicht gut?«
    »Ich fühle mich ein bisschen komisch. Als würden wir gleich eine Bank ausrauben oder so was Ähnliches.«
    »Schön wär’s. In Wirklichkeit sind wir diejenigen, die ausge-raubt werden, oder hast du das vergessen?«
    »Wo steht dein Auto?«
    »Gleich um die Ecke.«
    »Dann nichts wie los.«
    »Todd.«
    »Was?«
    »Danke.«
    »Bedank dich erst, wenn wir es

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