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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Zeitschrift und rauchte. Hinter ihm verfolgte ein wesentlich älterer Typ auf einem Fernsehbildschirm ein Pferderennen. »Ich suche Vic Norris«, sagte ich.
    »Und Sie sind?«
    »Meg Summers. Eine Freundin von Holly Krauss.«
    »Ich weiß weder, wer Sie sind, noch kenne ich diese andere Frau.«
    »Ich nehme an, Vic Norris weiß, wer Holly ist.«
    Er drückte in einem überquellenden Aschenbecher seine Zigarette aus. »Er arbeitet nicht hier«, sagte er.
    »Mir ist aber diese Adresse genannt worden.«
    Der Mann zog langsam eine neue Zigarette aus einem Päckchen und zündete sie sich an. »Worum geht es?«
    »Angeblich schuldet meine Freundin Vic Norris Geld.«
    »Du meine Güte. Und warum kommt sie dann nicht selbst?«
    »Sie ist krank.«
    Der Mann zog an seinem Glimmstängel und hustete dann keuchend. »Wie war noch mal ihr Name?«
    »Holly Krauss.«
    »Moment.« Er verschwand durch eine Tür hinter der Theke.
    Der Alte sah mich einen Moment an, wandte sich dann aber wieder dem Rennen zu.
    Als der fette Mann zurückkehrte, wirkte er freundlicher.
    »Das ist richtig. Die Schulden der jungen Dame belaufen sich auf sechzehntausend Pfund.«
    »Sechzehn? Ich dachte, es wären elf.«
    »Der Rest sind Zinsen, meine Liebe«, erklärte er lachend.
    »Ihre Freundin hat sich mit dem Zahlen zu lange Zeit gelassen.«

»Das ist absolut unfair«, protestierte ich. »Sie wollte das alles gar nicht. Und sie ist krank.«
    Der Mann schien mir gar nicht zuzuhören. Er hatte sich dem Fernseher zugewandt und starrte auf den Bildschirm.
    »Ich habe gerade gesagt, dass ich das absolut unfair finde.«
    »Ihre Freundin sollte aufpassen, von wem sie sich Geld leiht«, antwortete er.
    »Sie hat es sich nicht geliehen. Sie ist zu einem Pokerspiel verleitet worden.«
    Der Mann zuckte mit den Achseln. »Nächste Woche sind es siebzehn, dann achtzehn. Aber …« Mit einem erneuten Achselzucken blickte er wieder auf seine Zeitschrift hinunter.
    »Was ist, wenn sie nicht zahlen kann?«, fragte ich. »Wenn jemand nicht zahlen kann?«
    Der fette Mann lächelte. Er hatte oben eine Zahnlücke. »Sie zahlen alle«, antwortete er.
    Ich sah erst ihn an und dann den Alten, ließ den Blick über die Gegenstände in den Regalen schweifen. Alte Stereoanlagen, ein Schlagzeug, Schuhe, eine Teekanne mit passendem Milchkrug, ein Hometrainer, diverse Armbanduhren, ein Reisewecker, eine große, unhandliche schwarze Kamera.
    »Heute ist Donnerstag«, sagte ich. »Ich bringe das Geld am Dienstagabend, um kurz vor sechs.«
    »Am Dienstag sind es schon siebzehntausend.«
    »Dann komme ich am Montag. Kann ich mit Scheck bezahlen?«
    »Bei einem Scheck verlangen wir eine zusätzliche Gebühr«, antwortete er.
    »Wie viel?«
    »Dreißig Prozent.«
    »Ich bezahle bar.«
    Als ich den Laden verließ, ertönte wieder die Glocke.

    31
    Es waren fast elftausend Pfund auf meinem besonderen Sparkonto bei der Bank. Ich hatte sechs Jahre gebraucht, um so viel anzusammeln – mein Grundstock für ein Haus. Na ja, wahrscheinlich würde es vorerst nur für eine kleine Einzimmerwohnung am Stadtrand reichen, aber eines Tages würde ich in einem eigenen Haus mit Garten wohnen. Mit Kräutern und Blumen und einem schönen Obstbaum. Und vielleicht sogar einer Katze. Holly hatte sich ihr Haus nur leisten können, weil sie zu zweit waren und ihre Mutter ihr die Hälfte der Anzahlung geliehen hatte. Als wir mit unserer Firma anfingen, träumte ich davon, so viel zu verdienen, dass ich das Geld schneller zusammenbekommen würde, aber natürlich war es nicht so gelaufen.
    Ich schob die Gedanken an mein Traumhaus und mein Traum-leben beiseite. Ich besaß elftausend, aber ich brauchte noch weitere fünf, und ich hatte keine Ahnung, wo ich die auftreiben sollte, noch dazu bis Montag. Ich hatte einen Dispokredit von fünfhundert Pfund, den konnte ich bestimmt in Anspruch nehmen. Aber fünftausend?
    Am Spätnachmittag saß ich an meinem Schreibtisch und überlegte. Bei KS Associates hatten wir einen Dispokredit von dreißigtausend Pfund und waren im Moment erst bei neunzehn-tausendvierhundert angekommen. Das hieß, ich konnte mir das Geld morgen früh auszahlen lassen und hatte das Limit trotzdem noch nicht erreicht. Ich nahm unsere Firmenscheckkarte aus der Schublade und steckte sie in meine Tasche. Aber dann blickte ich mich im Büro um, betrachtete Lola und Trish und all die anderen, die mir vertrauten – die glaubten, bei mir so sicher zu sein wie in einem Haus –, und legte die Karte zurück

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