Der Feind in deiner Nähe
geschafft haben. Jetzt aber los.«
Diesmal war nur der fette Mann da, aber im hinteren Teil des Ladens hörte man Geräusche. Er sperrte die Tür ab und drehte das Schild auf »Geschlossen«. Dann trat er wieder hinter die Ladentheke, und ich überreichte ihm meine Plastiktüte und die beiden Umschläge von Todd. Er befeuchtete mit der Zunge seinen Zeigefinger und begann routiniert die Banknoten durchzublättern. Wir sahen ihm beide fasziniert zu. Während seine zierlichen Hände das Geld zählten, leckte er sich ständig über die Lippen.
»Gut«, sagte er schließlich.
»Kann ich eine Quittung haben?«
Er riss ein Stück Papier von einem Block, kritzelte die Zahl darauf und reichte es mir.
»Das ist aber keine Quittung, die ich beim Finanzamt einrei-chen kann«, bemerkte ich.
»Und?«
»Woher weiß ich, dass ich Ihnen trauen kann? Was, wenn Sie einfach leugnen, das Geld erhalten zu haben? Was, wenn Sie Holly weiter belästigen?«
Der fette Mann wirkte beleidigt. »Das hier ist eine Firma«, erklärte er. »Glauben Sie, wir wollen unseren guten Ruf ruinieren? Sie haben bezahlt. Nun gehen Sie.«
32
Das klingt jetzt vielleicht seltsam, aber ich war ziemlich stolz auf mich. Ich hatte mich in das furchtbare Chaos gestürzt, das Holly hinterlassen hatte, und alles geregelt. Ich wusste nicht so recht, ob ich einen Drachen getötet oder nur ein bisschen Frühjahrsputz gemacht hatte, aber auf jeden Fall hatte ich Hollys Welt ein wenig von ihrem Schrecken genommen. Ich freute mich darauf, ihr diese Nachricht zu überbringen und ihr damit vielleicht ein Lächeln zu entlocken. Nun würde bestimmt alles besser werden. Aber dann verlief mein Besuch ganz anders als erwartet. Als ich an ihr Bett trat, lag sie mit dem Rücken zu mir.
Ich hatte gleich ein ungutes Gefühl, weil sie sonst nie in dieser Haltung schlief. Ich ging auf die andere Seite, um ihr Gesicht sehen zu können. Sie war sehr blass. Zuerst dachte ich, sie würde schlafen, aber dann öffnete sie die Augen. Sie wirkten wie tot, wie die Augen eines Fisches.
»Holly«, sagte ich. »Wie geht es dir?«
Sie murmelte etwas, das ich nicht verstand. Ich beugte mich über sie. Sie stammelte nur sinnloses Zeug, lauter einzelne, unzusammenhängende Silben. »Was ist los?«, fragte ich. »Was ist passiert?«
Voller Panik rannte ich hinaus auf den Gang, schnappte mir eine Krankenschwester und zerrte sie fast zu Hollys Bett.
»Irgendetwas stimmt nicht mit ihr! Sie braucht ganz schnell einen Arzt!«
Die Schwester runzelte die Stirn, beugte sich einen Moment über Holly und warf dann einen Blick auf das Krankenblatt am Fußende des Betts. »Miss Krauss braucht nur ein bisschen Ruhe«, erklärte sie. »Sie ist gerade von ihrer ersten Behandlung zurückgekommen.«
»Was für einer Behandlung?«
»Elektroschock.«
Ich kämpfte mich gegen den Widerstand von Dr. Thornes Sekretärin in sein Büro vor. Er telefonierte gerade und wirkte ziemlich verblüfft, als er mich sah. Ich blieb einfach vor ihm stehen, bis er den Hörer aufgelegt hatte.
»Ich bin die Freundin von Holly Krauss«, begann ich. »Wir haben kürzlich miteinander gesprochen.«
»Ja, Meg, ich weiß, wer Sie sind.«
»Was, zum Teufel, läuft da ab? Ich war gerade bei ihr. Sie bringt keinen zusammenhängenden Satz mehr heraus. Und eben habe ich erfahren, dass sie mit Elekroschocks behandelt worden ist.« Ich hielt einen Moment inne. Von ihm kam keine Reaktion.
»Nun?«
»Ich habe die Behandlung angeordnet«, erklärte er. »Mit dem Einverständnis von Miss Krauss und ihrem Ehemann.«
»Warum denn das, um Himmels willen?«
»Es tut mir Leid, aber ich kann mit Ihnen wirklich nicht über die Einzelheiten ihrer Behandlung sprechen.«
»Das ist ein Skandal! Ich werde mich beschweren.«
Nun wirkte Dr. Thorne doch ein wenig beunruhigt und erhob sich von seinem Schreibtisch. »Warten Sie«, sagte er. »Sie müssen das verstehen. Ich kann Ihnen keine Einzelheiten über Miss Krauss’ Fall erzählen. Am besten, Sie besprechen das mit ihr selbst.«
»Sie ist doch gar nicht in der Lage, irgendetwas zu besprechen.«
»Das kommt nur von der Narkose oder dem Muskelrelaxans.
Mit der Elektroschocktherapie hat das nicht das Geringste zu tun.«
»Ich kann einfach nicht fassen, dass Sie bei ihr diese extreme Therapie anwenden. Das ist doch mittelalterlich.«
»Es handelt sich keineswegs um eine extreme Therapie. Alles, was Sie darüber wissen, stammt wahrscheinlich aus irgendwelchen alten Filmen. Ich versichere
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