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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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der Finsternis, die lediglich durch die Scheinwerfer des Wagens erhellt wurde, jedoch nur schemenhafte Formen erkennen.
    »Holly!«, rief ich. Während ich frustriert am Türgriff rüttelte, versuchte ich es noch einmal lauter: »Holly, bist du da?«
    Als ich Todd über den Kies auf mich zukommen hörte, drehte ich mich um. »Es ist keiner da!«, sagte ich, fast schluchzend.
    Todd ließ den Blick an dem dunklen Haus nach oben wandern.
    Dann beugte er sich hinunter, hob einen Stein auf und warf ihn durchs Fenster. Das Glas ging mit einem überraschend lauten Krachen zu Bruch. Wir sahen uns an. Ich war mir ziemlich sicher, dass er so etwas, ähnlich wie ich, noch nie getan hatte.
    Wir waren beide vernünftige Leute, die sich an Gesetze hielten und Regeln respektierten. Todd schlug die Glasreste weg, entriegelte dann von innen das Fenster und schob es hoch. Ein klarer Fall von Einbruch. Er stieg in das dunkle Haus ein. Ich hörte seine Schritte, und kurz darauf machte er mir die Haustür auf. Ich blickte mich nach Zeichen von Leben um. Zusammen liefen wir durch sämtliche Räume, machten alle Lichter an und riefen Hollys Namen. Ich trat in einen Raum und hatte plötzlich das Gefühl, als hätte jemand die ganze Luft aus mir herausgepresst. Auf dem Boden lag ein Koffer, aus dem Hollys Sachen quollen, die Sachen, die ich erst kürzlich zusammen mit ihr durchsortiert hatte. Auf dem Nachttisch stand ein Telefon. Todd griff nach dem Kabel.
    »Ausgestöpselt«, stellte er fest.
    »Wo sind sie?«
    »Unterwegs«, antwortete Todd.
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »Weit können sie allerdings nicht sein«, bemerkte Todd, der gerade einen Blick durch das Fenster an der Rückseite des Hauses warf. »Sie haben den Wagen dagelassen.«
    »Wo?«
    »Hinter dem alten Schuppen dort.«
    »Ja, das ist Charlies Wagen.«
    »Sollen wir ihn uns mal ansehen?«, fragte Todd, und plötzlich starrten wir uns mit offenem Mund an.
    Wir stürmten die Treppe hinunter und dann durch die offene Tür nach draußen. Der unebene Boden ließ uns immer wieder stolpern, und dornige Zweige blieben an unseren Kleidern hängen, während wir auf den Wagen zueilten. Ich spürte mein Herz wie wild schlagen und hörte mich keuchen. Als wir näher kamen, hörten wir ein leises Motorengeräusch und sahen, dass sich etwas vom Auspuff zur Beifahrertür schlängelte. Todd entfernte die Papiertaschentücher, die den Schlauch fixierten, und zog diesen heraus. Ich rüttelte verzweifelt an der Tür, doch sie war abgeschlossen.
    »Holly!«, schrie ich, denn ich konnte durch den Abgasnebel hinter der Scheibe ihr bleiches Gesicht erkennen. »Holly, wir sind da!«
    »Moment«, sagte Todd, der auf der Suche nach etwas Scharf-kantigem oder Schwerem hektisch in der Erde herumwühlte und schließlich auf einen halb verrotteten Ziegelstein stieß.

    »Nicht durch die Windschutzscheibe!«, keuchte ich. »Sonst schneidest du sie in Stücke.«
    Er knallte den Stein gegen das kleine Seitenfenster, was beim ersten Mal noch nicht viel brachte, sodass er gleich noch ein zweites Mal zuschlug. Nun war das Loch bereits etwas größer, und sofort rochen wir das Gas, das uns in dicken Schwaden entgegenschlug. Todd streckte vorsichtig eine Hand zwischen den Glaszacken hindurch und entriegelte die Tür. Ich riss sie auf.
    »Pass auf, dass du dich nicht schneidest«, warnte mich Todd, aber dafür war es schon zu spät. Ich tauchte in das von giftigem Gas erfüllte Wageninnere und zerrte die leblose Gestalt auf den kalten Boden heraus.
    »Holly!«, rief ich. »Holly!«
    Ich zog ihren kalten Körper an mich. Todd kauerte sich neben uns und nahm ihr schmales Handgelenk zwischen Daumen und Zeigefinger. »Sie lebt noch, Meg«, erklärte er. Während er mit mir sprach, tippte er auf seinem Handy die 999 ein.
    »Sie lebt noch … Wir brauchen einen Krankenwagen!«, sagte er in das Telefon. »Jemand hat versucht, sich mit Autoabgasen das Leben zu nehmen. Ash Tree House, gleich außerhalb von Corresham, an der Straße zum Rose and Crown. Bitte beeilen Sie sich. Und die Polizei brauchen wir auch«, fügte er hinzu.
    »Frag sie, was wir tun sollen«, sagte ich.
    Aber sie erteilten ihm bereits Anweisungen, die er an mich weitergab. Ich hielt Hollys Nasenlöcher mit den Fingern zu und blies ihr Luft in den Mund. Ihre Lippen fühlten sich gummiartig an, und ihre Haut war kalt, aber ich spürte, dass ihr Herz schwach schlug. Todd und ich wechselten uns mit der Mund-zu-Mund-Beatmung ab, während der eisige Wind in Böen

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