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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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nahm.
    Nachdem ich eine Weile vor mich hingefuttert hatte, streckte ich zufrieden seufzend die Beine aus, um die Wärme des Kaminfeu-ers noch besser zu spüren. Draußen gurgelte der Bach vorbei, und jedes Mal, wenn die Sonne zwischen den grauen Wolken hervorlugte, warf sie schwache Lichtstrahlen über den Holzboden.
    »Vielleicht sollte ich das auch machen«, sagte ich.
    »Was?«
    »Aus London weglaufen.«
    »Ich würde das hier nicht wirklich als Weglaufen bezeichnen.«
    »Einfach aussteigen«, fügte ich verträumt hinzu. »Einen Neuanfall starten.«
    »Was? Einen Neuanfall?«
    »Einen Neuanfang«, korrigierte ich mich. Mir begannen die Augen zuzufallen, deswegen riss ich sie energisch auf, setzte mich aufrechter hin und trank in großen Schlucken den starken Kaffee. Draußen hatte es mittlerweile wieder zu regnen begonnen. Ich warf einen Blick in den nassen, sattgrünen Garten hinaus. Am Samstag würden sich dort sieben Männer und fünf Frauen mit Spielen vergnügen.
    »So«, sagte ich und griff nach dem letzten Kuchen. »An die Arbeit!«

    *
    Wir sahen uns als Erstes die Schlafzimmer an. Sehr schön, bis auf die Tatsache, dass das oberste Stockwerk nicht ganz den Brandschutzvorschriften entsprach. Dann statteten wir der Küche einen Besuch ab, in der es eine wunderschöne halbhohe Tür gab, die auf den plätschernden Bach hinausging.
    »Entspricht das den Sicherheitsvorschriften?«, fragte Meg, die stets praktisch dachte.
    »Wir eröffnen hier doch keine Kinderkrippe«, antwortete ich.
    »Sie ist immer abgeschlossen«, erklärte Richard. »Solche architektonischen Details muss man erhalten.«
    Es bereitete mir ziemliche Schwierigkeiten, den schweren Riegel zu lösen, aber schließlich schaffte ich es doch, die kleine Tür aufzuschieben und den Kopf hinauszustrecken. Wassertropfen klatschten gegen meine Wangen, und der Wind peitschte mir die Haare ins Gesicht. Seufzend schloss ich die Augen.
    »Holly?«
    »Mmmm. Ich komme schon.«
    Ich zog den Kopf zurück und schloss die Tür.
    »Sollen wir das Essen für Samstagabend durchsprechen?«, fragte Corinne.
    »Ich bin sicher, es ist alles bestens.«
    »Fürs Mittagessen habe ich eine Speisekarte zusammenge-stellt, ebenso für das Frühstück am Sonntag, außerdem gibt’s eine Liste mit den Zutaten für das Currygericht, das die Gruppe gemeinsam kochen soll, also wenn ihr einen Blick darauf werfen wollt und –«
    »Ich bin sicher, es ist alles bestens«, wiederholte ich.
    »Oh.« Corinne wirkte leicht verblüfft, fing sich aber gleich wieder. »Dann wären da noch die Getränke«, fuhr sie in munterem Ton fort.
    »Wir haben vollstes Vertrauen zu euch.«
    »Aber –«
    »Stellt einfach sicher, dass mehr da ist, als ihr für nötig haltet, und verdoppelt das Ganze dann noch mal. So, und jetzt lasst uns einen Blick nach draußen werfen.«
    »Soll ich euch Stiefel leihen? Das Gras ist noch nass.«
    »Das macht nichts.«
    Meg und ich liefen am Bach vorbei durch einen Teil des Gartens, in dem früher wohl mal Gemüse angebaut worden war, und dann über den weichen, mit Nässe voll gesogenen Wiesen-boden auf den See zu. Alles war wundervoll feucht und grün.
    Ich hob einen Stein auf und warf ihn ins Wasser. Das Entengrün schloss sich sofort wieder über ihm. Wir sahen uns an und kicherten.
    »Ich freue mich schon, wenn sie alle vom Floß kippen und in das Wasser da fallen«, sagte ich.
    »Wir wollen doch, dass sie uns ihren Freunden empfehlen«, gab Meg zu bedenken.
    »Hinterher wickeln wir sie in Decken und becircen sie mit unserem Charme«, antwortete ich. »Wenn wir dann noch ein bisschen mit den Wimpern klimpern, werden sie uns schon weiterempfehlen.«
    Meg zog ein Gesicht. »Das klingt, als wären wir ein Begleit-service.«
    »Sind wir das nicht?«, gab ich zurück.
    »Hör auf, Holly! Ich mag es nicht, wenn du so redest. Du hast doch die Briefe gesehen, die wir bekommen haben – da war von höherer Produktivität und verbesserter Arbeitsmoral die Rede.«
    Ich legte einen Arm um ihre Schultern. »Das stimmt, meine Liebe«, beruhigte ich sie. »Und unseren Prospekt habe ich auch gelesen. Sag mal, fällt dir nichts auf?«
    »Was meinst du?«
    »Es gibt hier ein paar Vögel, die störende Geräusche von sich geben, und der Wind rauscht ein bisschen in den Bäumen, aber ansonsten ist fast nichts zu hören. Kaum zu fassen, dass London zur selben Welt gehört.«

    »Wir fahren gleich zurück.«
    »Viel lieber würde ich mir jetzt ein Zimmer hier nehmen und mich ins Bett

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