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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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niemand mag? Du hältst dich für brillant, rennst hektisch herum und spielst das verrückte Huhn, das mit seinem unwiderstehlichen Charme alle um den Finger wickelt, aber uns kannst du nichts vormachen. In Wirklichkeit bist du richtig erbärmlich, eine Mogelpackung.«
    Ich holte tief Luft und zwang mich, ruhig und langsam zu sprechen. »Du solltest jetzt besser gehen«, sagte ich.
    Sie lachte. »Du hältst dich für so wahnsinnig clever, aber eines Tages wird irgendjemand dafür sorgen, dass du auf deine arrogante kleine Nase fällst.«
    Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Soll das eine Drohung sein, Deborah?«
    Als sie sich anschickte zu gehen, funkelten ihre Augen vor Zorn. »Du bildest dir ein, dass vor dir alle auf die Knie fallen, stimmt’s? Eines Tages aber wird einer aufstehen, und dann wirst du schon sehen, was passiert. Da reicht ein Einziger.«

    Sie fegte aus dem Büro wie ein Wirbelwind. Als sie weg war, entschloss ich mich zu einem kleinen Ausflug in die Old Compton Street. Dort gibt es eine Bäckerei, die ganz besondere Sahnetörtchen macht. Ich kaufte zehn Stück, für jeden im Büro eins, und zehn Cappuccino. Als ich zurück in die Firma kam, machten Trish und Meg immer noch einen ziemlich geschockten Eindruck. »Glaubt ihr, meine Entscheidung war falsch?«
    Die beiden wechselten einen Blick.
    »Ich weiß nicht«, sagte Meg. »Das Ganze war ziemlich kompliziert.«
    »Nein, war es nicht.«
    Ich rief alle zusammen und sprach kurz über die Probleme in der Firma und wie wichtig es sei, dass wir miteinander redeten, wenn etwas falsch lief, aber mein Versuch, eine motivierende Rede zu halten, endete damit, dass sich alle den Sahnetörtchen zuwandten. Man hätte meinen können, auf einem Kinderge-burtstag zu sein.
    Fünfundvierzig Minuten später saßen Meg und ich im Auto und verließen London. Meg betätigte sich als zuverlässige Kartenleserin, und ich fuhr zu schnell. Wir waren unterwegs, um den Veranstaltungsort unseres nächsten Wochenendevents zu inspizieren. »Veranstaltungsort« klingt so formell und nüchtern, als handelte es sich um ein modernes Hotel mit identisch ausgestatteten Zimmern, überteuerten Minibars und einem schicken kleinen Fitnessraum. Aber dem war nicht so. Es handelte sich vielmehr um eine noch nicht ganz ausgebaute, mit wildem Wein überwucherte Wassermühle in Oxfordshire.
    Zusätzlich zu dem Mühlbach gab es am Ende des weitläufigen Grundstücks einen kleinen, mit Entengrün bedeckten See. Das Haus selbst verfügte über sechs verwinkelte Schlafzimmer, bei deren Anblick man gleich den Verdacht hegte, dass unter der Tapete die Feuchtigkeit lauerte. Für unsere Zwecke war das Ganze perfekt: Kletterbäume für Erwachsene, Wasser zum Reinfallen, ein langes, mit Fensterläden versehenes Esszimmer, in dem man abends in großer Runde beieinander sitzen konnte, und meilenweit kein anderes Gebäude. Die Mühle gehörte seit kurzem einem Paar, das Meg über gemeinsame Freunde kannte.
    Die beiden hatten genug von ihrem stressigen Leben in London.
    »Es ist ein gutes Gefühl, so mit dir durch die Gegend zu fahren«, stellte ich fest. »Ganz wie in alten Zeiten, als wir beide den Laden noch allein geschmissen haben.«
    »Ja«, antwortete Meg mit einem gekünstelten Lachen. »Das waren noch Zeiten.« Sie schwieg einen Moment. »Wahrscheinlich hattest du Recht«, sagte sie dann. »Wegen Deborah. Ich hoffe nur, dass sie keine gerichtlichen Schritte gegen uns unternimmt.«
    »Ich hoffe schon«, entgegnete ich. »Dann zeigen wir es ihr so richtig.«
    Meg hustete lediglich.
    London kann sehr unterschiedlich wirken, je nachdem, in welche Richtung man es verlässt. Wenn man nach Oxford fährt, scheint sich die Stadt endlos hinzuziehen, schließt man jedoch für einen Moment die Augen, ist plötzlich alles grün.
    Nachdem es schon den ganzen Vormittag nach Regen ausgesehen hatte, begann es nun tatsächlich zu nieseln. Ich schaltete den Scheibenwischer an und starrte durch die Halbkreise, die die Wischblätter nach jeder Bewegung hinterließen, auf eine graue Landschaft. Ich machte das Radio an, drückte einen Knopf nach dem anderen und wechselte eine Weile zwischen den verschiedenen Sendern hin und her, ehe ich es frustriert wieder ausschaltete.

    *
    Corinne und Richard warteten bereits auf uns. Sie hatten in dem großen Wohnzimmer den Kamin angeheizt und eine Kanne Kaffee gekocht. Corinne reichte eine Platte mit kleinen Him-beerbiskuitkuchen herum, von denen ich mir gleich zwei

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