Der Feind in deiner Nähe
Auftrag so dringend gebraucht.«
»Er will sich morgen mit dir treffen«, informierte mich Meg.
»Sie sind also noch nicht abgesprungen?«
Meg wand sich verlegen. »Er möchte morgen darüber sprechen.«
»Mit uns allen?«
»Er hat gesagt, er möchte sich mit Holly treffen.«
»Du hättest trotzdem vorher mit uns darüber reden sollen«, meinte Trish. »Außerdem sind wir noch immer zu keiner Entscheidung gekommen.«
Ich spürte, dass sie ins Wanken geraten waren, und erhob mich. »Es tut mir Leid, dass ihr meinetwegen so viel Mühe hattet«, sagte ich in sehr freundlichem, höflichem Ton. »Und es tut mir auch Leid, dass ihr euch so viele unnötige Sorgen um mich gemacht habt.«
Ich wandte mich an Charlie. »Wir müssen reden. Darf ich dich heute Abend zum Essen ausführen? Ich habe dir eine Menge zu sagen. Und ich möchte mich bei dir entschuldigen.«
Sein Blick ruhte eine Weile auf mir. »In Ordnung, Holly.«
»Das ist die einzige Therapie, die ich brauche.«
Es war wie bei einer Aufführung, bei der die Leute das Theater verlassen mussten, bevor sie den letzten Akt des Stücks gesehen hatten. Ich beobachtete, wie Meg und Dr. Difford beim Hinausgehen leise ein paar Worte wechselten, aber das war mir egal.
Ich hatte Wichtigeres im Kopf. Ich musste erst einmal Ordnung in mein Leben und meine Ehe bringen.
16
Wir saßen in einem ruhigen italienischen Restaurant ganz in der Nähe unseres Hauses an einem Fenstertisch. Charlie trank Bier, ich Mineralwasser. Wir beobachteten die Leute draußen auf dem Gehsteig, von denen die meisten es ziemlich eilig hatten, aus dem Regen ins Trockene zu kommen. Ich erinnerte Charlie daran, wie viel Spaß es uns in der Anfangszeit unserer Beziehung gemacht hatte, in einem Lokal zu sitzen und die Geschichten der Leute an den anderen Tischen zu erraten. Sein Lächeln wirkte gezwungen. Er gab sich Mühe, aber ihm war deutlich anzumerken, dass er wütend und auch verletzt war. Er beugte sich so weit zu mir herüber, dass niemand anderer hören konnte, was er sagte. »Ich habe darüber nachgedacht, einfach zu gehen und dich niemals wiederzusehen. Aber dann …« Er hielt inne und starrte mich an, als würde er mit sich ringen.
»Ja?«
»Ich weiß auch nicht. Es ist alles so chaotisch. Aber du bist zurzeit einfach nicht du selbst.«
»Oh, bitte, fang nicht schon wieder damit an. Was? Was denkst du?«
Er nahm meine zitternden, kalten Hände in seine warmen und sagte, dass wir es schon wieder auf die Reihe kriegen würden, egal, wie schwer es auch sei. Er fügte hinzu, wir seien jetzt genau ein Jahr verheiratet, und auch wenn wir im Moment nicht viel Grund zum Feiern hätten, sollten wir zumindest gute Vorsätze fassen. Das nächste Jahr unserer Ehe müsse besser werden. Er wolle, dass wir von nun an eine richtige Ehe führten, in der beide Partner aufeinander Rücksicht nahmen, und er habe vor, mir zu helfen.
Ich versuchte ihm zu sagen, dass ich keine Hilfe brauchte, weil ich mich wirklich ändern würde, sogar schon damit angefangen hätte, wovon er sich bald werde überzeugen können. Aber er ließ mich nicht ausreden und meinte, das alles könnten wir später diskutieren. Zuerst müsse ich mich ausruhen und erholen.
Ich begann entrüstet zu erklären, dass ich gar nicht krank sei, doch er entgegnete, ich solle es sein lassen. »Man muss nicht immer über alles reden«, fügte er hinzu.
Ich wollte widersprechen, aber dann verließ mich plötzlich meine ganze Streitlust. Es war, als wäre mein Gehirn in Scheiben geschnitten worden, fein säuberlich aufgeteilt in Wut und Trotz, Demütigung und Scham, grimmige Ironie, Aggression und Gleichgültigkeit. Keine der Scheiben schien mit den anderen in Verbindung zu stehen, und ich wusste nicht, mit welchem Stück von mir ich sprechen sollte. Ich fragte ihn kläglich, ob er mich noch liebe, aber er schien meine Frage nicht zu hören. Deswegen sagte ich aus heiterem Himmel und sogar für mich selbst unerwartet: »Ich habe meinen Schlüssel verloren.«
»Was?«
»Ich habe meinen Schlüssel verloren«, wiederholte ich. »Er hängt nicht mehr an meinem Schlüsselring.«
»Du verlierst doch dauernd deine Schlüssel«, antwortete er, völlig aus dem Konzept gebracht. »Was hat denn das mit all dem anderen zu tun?«
»Ich weiß nicht. Ich wollte es dir bloß sagen.«
»Gut, jetzt hast du es mir gesagt. Ich werde dir einen nachmachen lassen – und du besorgst dir einen Schlüsselring, der nicht die ganze Zeit aufgeht.«
Wir
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