Der Feind in deiner Nähe
ab, was für eine Einstellung man zuden Dingen hatte. Ich brauchte nur meine Einstellung zu ändern, dann würde sich auch mein Verhalten ändern, und alles würde wieder gut werden.
Ich bummelte durch ein paar Läden. In dem ersten, einer Buchhandlung, entdeckte ich eine Sammlung von Gedichten, die einen zumindest laut Einleitung glücklich stimmen sollten. Und nachdem ich ein kurzes Gedicht gelesen hatte, das mich zum Lächeln brachte, erstand ich gleich dreißig Exemplare.
Dann ging ich, unter dem Gewicht der Bücherkiste schwankend, in ein Schreibwarengeschäft und suchte dort eine Postkarte von einem Stillleben aus, das nur ein Glas Wasser und eine Knoblauchknolle zeigte. Wieder erwarb ich dreißig Stück.
Auf dem Rückweg zur Arbeit schaute ich dann noch in einen Haushaltswarenladen. Ich suchte nach etwas ganz Besonderem, auch wenn ich selbst noch keine klare Vorstellung davon hatte, wie es aussehen sollte. Auf jeden Fall wollte ich etwas aus Holz.
Plötzlich entdeckte ich genau das Richtige: einen Holzstab mit zwei Scheiben am Ende, einer kleinen und einer etwas größeren.
Als ich eine Verkäuferin fragte, was für eine Funktion es habe, erklärte sie mir, es sei für flüssigen Honig. Ich fand das großartig und nahm gleich den ganzen Korb voll mit.
Nachdem ich wieder im Büro war, verteilte ich die Sachen an die Mädchen. Es war noch eine Menge übrig. Ich steckte sie in ein Päckchen, legte eine Karte dazu und adressierte das Ganze an den Chef von eYel, der Designfirma, für die ich ein Event organisieren sollte: »Lieber Craig, da ich leider keine Zeit hatte, ein Konzept auszuarbeiten, schicke ich stattdessen ein paar kleine Präsente. Mit lieben Grüßen, Holly.« Ich bat Lola, es per Kurier an die Firma zu senden.
Als ich meinen Blick durchs Büro schweifen ließ, ging mir mal wieder durch den Kopf, wie dringend wir ein paar abge-trennte Bereiche brauchten, in denen man in Ruhe arbeiten konnte. Spontan rief ich einen Architekten an, den die Nachbarin von Lolas Mutter kannte. Er versprach, bald vorbeizu-kommen, um sich das Büro anzusehen und ein paar Entwürfe vorzulegen.
Danach überkam mich wieder große Müdigkeit. Ich wollte nur noch schlafen. Mit mehr Schlaf würde ich mein Leben sicher wieder in den Griff bekommen, und alles würde gut werden. Ich machte eine Stunde eher Schluss, fuhr nach Hause und legte mich ins Bett. Mir war kalt. Ich hätte eine Wärmflasche gebraucht, aber wir besaßen keine. Ich stand also noch einmal auf, schlüpfte in eine Jogginghose und ein Sweatshirt und breitete eine zusätzliche Decke über das Bett, ehe ich mich wieder hinlegte. Irgendwann bekam ich verschwommen mit, dass Charlie den Raum betrat, etwas sagte – ich wusste nicht mal, ob seine Worte überhaupt an mich gerichtet waren – und wieder ging.
Als am nächsten Morgen um acht der Wecker läutete, ging es mir besser. Ich hatte vierzehn Stunden geschlafen und tauchte wie neugeboren aus der Bewusstlosigkeit auf, auch wenn ich mich noch ein wenig benommen fühlte. Nun waren die Kontu-ren der Welt wieder scharf und klar. Meine Panik hatte sich ebenfalls gelegt. Ich wusste, dass es in meinem Leben ein paar große Probleme gab, aber ich hatte endlich das Gefühl, ihnen gewachsen zu sein. Nachdem ich geduscht und mir die Haare gewaschen hatte, schlüpfte ich in einen dunklen Hosenanzug.
Charlie schlief noch wie ein Murmeltier. Beim Anblick seiner zerzausten Haare und seines nur halb unter dem Kissen hervor-lugenden Gesichts spürte ich einen ziehenden Schmerz in der Brust. Ich legte ihm einen Zettel auf den Tisch, auf den ich schrieb, dass ich ihn sehr, sehr liebte und dass wir reden müssten.
Ich traf vor allen anderen im Büro ein, trank erst mal eine Tasse starken Kaffee und nahm dann den Stapel Arbeit in Angriff, den ich noch nicht erledigt hatte. Noch schlimmer war der kleinere Stapel, den ich bereits erledigt hatte und bei dem mir ein paar Fehler unterlaufen waren, die es nun wieder auszubügeln galt. Trotzdem war es ein gutes Gefühl, fast wie bei einem Frühjahrsputz, und mir wurde klar, dass ich es schaffen würde. Ich wollte den ganzen Stapel bis zur Mittagspause, die ich im Büro verbringen würde, fertig haben. Ich arbeitete konzentriert und mit gesenktem Kopf, sodass ich überhaupt nicht mitbekam, was um mich herum vorging. Als Meg mir auf die Schulter tippte, fuhr ich erschrocken hoch. Ich wusste nicht mal, wie spät es schon war. Ich warf einen Blick auf meine Uhr: zehn nach zwölf.
»Kann
Weitere Kostenlose Bücher