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Der Feind in deiner Nähe

Titel: Der Feind in deiner Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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ich dich einen Moment sprechen?«, fragte sie.
    »Klar.«
    »Im Konferenzraum.«
    »Wieso denn das?«
    »Es dauert nur eine Minute.«
    Ich folgte Meg und blieb dann wie vom Donner gerührt stehen. Trish saß bereits am Tisch, außerdem eine Frau, die ich nicht kannte, und zwischen ihnen Charlie. Seltsamerweise war mein erster Gedanke nicht, was er hier machte, sondern wie er hereingekommen war, ohne dass ich es bemerkt hatte. Offenbar hatte er den Hintereingang benutzt. Meg setzte sich neben die anderen und forderte mich dann mit einer Handbewegung auf, ihnen gegenüber Platz zu nehmen. Ich kam mir vor wie bei einem Bewerbungsgespräch.
    »Was soll das werden?«, fragte ich. »Eine neue Folge von
    ›This Is Your Life‹?«
    »Das hier ist Dr. Jean Difford«, erklärte Meg. »Sie erteilt Ratschläge bei Problemen am Arbeitsplatz.«
    »Welche Art Ratschläge?«
    »Medizinische.«
    »Ich verstehe nicht ganz«, sagte ich. »Was soll das alles?«
    Jean Difford bedachte mich mit einem Lächeln, das mich wohl beruhigen sollte, bei mir allerdings die gegenteilige Wirkung erzielte. »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Holly«, sagte sie. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
    »Was denn?«
    »Kennen Sie Glenstone Manor?«
    »Nein.«
    »Ich habe dort für heute einen Termin für Sie vereinbart.«
    Nun folgte eine lange Pause. Ich sah erst Meg und Trish an, dann Charlie. Meg und Trish starrten auf die Tischplatte, aber Charlie musterte mich besorgt. Zum ersten Mal seit Tagen erkannte ich wieder Liebe in seinem Blick. Oder Mitleid?
    »Das hier ist eine Art Verschwörung«, erklärte er. »Wir machen uns alle Sorgen um dich. Irgendetwas läuft bei dir schief, und wir glauben, dass du Hilfe brauchst.«
    »Du kannst nicht so weitermachen«, pflichtete Meg ihm bei.
    »Darüber habe ich selbst zu entscheiden, würde ich sagen.«
    »Nein«, widersprach Charlie. »Wenn ein bestimmter Punkt überschritten ist, muss man eingreifen.«

    »Ihr habt über mich gesprochen. Mich analysiert.« Ich wandte mich an Meg. »Das ist deine Rache, oder?«
    »Nein.«
    »Du warst gestern gar nicht beim Zahnarzt. Du warst damit beschäftigt, diesen … diesen Hinterhalt zu planen.«
    »Es ist kein Hinterhalt, sondern ein Aktionsplan«, mischte Trish sich ein.
    »Na schön. Wie sieht dieser Aktionsplan denn aus?«
    »Sie gehen nach Glenstone Manor«, erklärte Dr. Difford.
    »Dort werden Sie durchgecheckt und behandelt. Das Ganze wird ein bis zwei Wochen in Anspruch nehmen.«
    »Wie bitte?«, sagte ich. »Sie sind doch Ärztin.«
    »Ja.«
    »Wissen Sie, was mich am meisten irritiert? Sie sagen, ich müsse in eine Anstalt. Dabei kennen Sie mich doch überhaupt nicht.«
    »Ich habe mit Ihren Kolleginnen und Ihrem Mann gesprochen.« Ich warf Charlie einen fragenden Blick zu. Er hatte immerhin den Anstand, ein wenig beschämt dreinzublicken.
    »Sie wollen Ihnen helfen.«
    Ich holte tief Luft und zwang mich dann zu lächeln. »Sie können sich bestimmt vorstellen, dass mich das alles ein wenig unvorbereitet trifft«, sagte ich. »Darf ich noch ein paar Fragen stellen, bevor ich abtransportiert werde?«
    »Sie können fragen, was Sie möchten«, antwortete Dr. Difford. Die Art, wie sie mit mir sprach – ruhig und geduldig, als stünde ich gerade mit Selbstmordabsichten auf einem Fenstersims –, trieb mich zur Weißglut.
    »Ist irgendjemand hier der Meinung, dass ich ein Drogenprob-lem habe?«, fragte ich.
    »Nein«, antwortete Meg.

    »Alkohol?«
    »Nicht mehr als viele andere.«
    »Was fehlt mir dann eurer Meinung nach?«
    Zunächst gab mir niemand eine Antwort.
    »Das besprechen wir in Glenstone Manor«, sagte Dr. Difford schließlich.
    »Ihr glaubt alle, dass ich am Durchdrehen bin.«
    Alle schwiegen.
    »Zugegeben, die letzten paar Wochen ist bei mir einiges schief gelaufen«, erklärte ich. »Das streite ich ja gar nicht ab. Es gab ein, zwei Abende, an denen die Dinge außer Kontrolle geraten sind. Ich bin nicht stolz auf mein Verhalten, aber dabei, mich mit den Folgen auseinander zu setzen. Was meine Arbeit betrifft, war ich in den letzten Tagen auch nicht gerade in Höchstform, aber das habe ich schon wieder in Ordnung gebracht. Ihr hättet erst einmal mit mir darüber reden sollen, Meg, Trish« – ich funkelte die beiden wütend an –, »bevor ihr euch hinter meinem Rücken an irgendeine Ärztin wendet, die sich einbildet, eine Diagnose stellen zu können, ohne mich auch nur ein einziges Mal gesehen zu haben. Damit meine ich vor allem dich,

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