Der Feind in deiner Nähe
die Hand. »Das war ein großartiges Gespräch«, erklärte er. »Ich habe das Gefühl, dass wir unsere Idee wirklich klar und deutlich darge-legt haben.«
Ich schüttelte seine Hand.
»Kann ich Sie irgendwo absetzen?«, fragte er.
»Nein. Ich gehe zurück ins Büro«, log ich.
»Ihr Leute seid wirklich unglaublich«, meinte er mit einem Lächeln. »Ich rufe Sie morgen an. Wir werden zusammen eine Menge Geld verdienen.«
Als ich allein war, bestellte ich mir noch ein Mineralwasser.
Viel dringender hätte ich Papier und einen Stift gebraucht, aber ich fing einfach an, die Liste in meinem Kopf aufzustellen.
Wichtig war, dass ich mein Leben Schritt für Schritt in Ordnung brachte, ein Problem nach dem anderen anging. Erstens: Charlie.
Zweitens: die Arbeit. Dann waren da noch die anderen Sachen, um die ich mich kümmern musste. Beispielsweise diese dumme Pokergeschichte. Bestimmt würden sie einsehen, dass das Ganze ein Missverständnis gewesen war. Das würde die Nummer drei auf meiner Liste sein. Ich bezahlte mein Mineralwasser und fragte, wo die Toilette sei. Die Barfrau erklärte mir den Weg ins Untergeschoss. Nachdem ich mir dort die Hände gewaschen hatte, warf ich einen Blick in den Spiegel und strich mir das Haar glatt. »Eins nach dem anderen«, sagte ich mir.
Als ich wieder auf den Gang hinaustrat, streifte ich im Vorbei-gehen einen Mann im Anzug und murmelte eine Entschuldigung. Plötzlich spürte ich eine Hand an meiner Schulter und wurde brutal gegen die unverputzte Ziegelwand gedrückt. Durch den dünnen Seidenstoff meines Kleides spürte ich die Kälte der Wand. Der Gesichtsausdruck, mit dem Rees mich anstarrte, hatte fast etwas Fragendes. »Du hast dich nicht bei mir gemeldet«, stellte er fest.
Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Seine Hand hob sich. Ich spürte die Wucht seines Schlags nicht, sah nur eine Explosion weißen Lichts und hörte das Geräusch, mit dem seine Hand auf mein Gesicht traf. Ich rang nach Luft.
»Du verarschst mich«, sagte er. »Das mag ich nicht.«
Er drückte seine linke Hand so fest gegen meinen Hals, dass ich nicht schreien konnte. Mit der Rechten streichelte er einen Moment lang die Stelle an meiner Wange, wo er mich getroffen hatte, dann ließ er seine Hand über meine Brüste, meinen Bauch und zwischen meine Beine wandern. Er lehnte sich an mich. Ich konnte das Klirren der Gläser und das Stimmengewirr hören, das von oben herunterdrang. Er flüsterte mir ins Ohr: »Du hast mit mir gespielt. Du hast mich so weit gebracht. Ich bin eigentlich gar nicht so. Ich war ein ganz normaler Mann mit einer Freundin …«
Es war verrückt. Mein Inneres fühlte sich an, als hätte es sich vor Angst verflüssigt. Ich wusste, dass ich ihm hilflos ausgelie-fert war und ihn nicht daran hindern konnte, mir alles Mögliche anzutun, aber als er voller Selbstmitleid davon zu sprechen anfing, dass er ein ganz normaler Mann sei, konnte ich mir trotz allem ein Lachen nicht verkneifen.
Sein Gesicht wurde rot vor Wut. »Du verdammte … du verdammte –«, keuchte er. »Und wie gefällt dir das?« Er rammt mir sein Knie so heftig in den Unterleib, dass ich vor Schmerz aufschrie, und begann dann an meinem Kleid herumzureißen. Er beugte sich zu mir herunter, bis ich seinen Atem auf meinem Gesicht spürte.
»Du hast mich gefickt«, flüsterte er. »Jetzt kann ich mit dir machen, was ich will.«
Mit der ganzen Energie, die ich noch besaß, spuckte ich ihn an. Befriedigt starrte ich auf die Ladung Speichel an seinem Hals. Er hob die Hand und verpasste mir einen weiteren Schlag.
Wieder spürte ich nichts, sondern hörte nur, wie mein Hinterkopf gegen die Wand knallte. Er legte eine Hand an den Ausschnitt meines Kleides, riss einen Moment daran herum, und presste dann plötzlich die Lippen auf meinen Mund. Ich biss zu, so fest ich konnte, und schmeckte Blut. Ich hörte ihn aufschrei-en. Wieder folgte eine Explosion, der nächste Schlag.
Auf der Treppe waren Schritte zu hören. Rees ließ von mir ab.
Während er die Treppe hinaufrannte, kamen zwei Frauen herunter und gingen wortlos an mir vorbei. Sie schienen gar nicht zu bemerken, dass ich dort wie ein Häufchen Elend an der Wand lehnte.
Meine Beine zitterten, und mein Herz klopfte so heftig, dass ich ein paar Minuten lang nicht imstande war, mich zu bewegen.
Ich lehnte einfach an der Wand und lauschte dem Geräusch meines eigenen Atems. Dann wurde drinnen im Toilettenraum die Spülung betätigt, und ich schaffte es
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