Der Feind meines Vaters - Roman
den Bergen herunterkam, und das würde er nicht tun, weil sie ihn wie Laureano und alle davor und danach umbringen würden.
Dies ist ein Krieg, und er wird nie enden. Während ich mich am 16. Juli 1947, dem Fest der Virgen del Carmen, auf dem Bett lümmelte, weil ich nicht wusste, wie ich die Zeit totschlagen könnte, die Stunden, bis Cencerro endlich entwischte und ich zur alten Mühle gehen konnte, um dem Portugiesen Filos Korb zurückzubringen, lieferten sich zwei in einem Haus von Valdepeñas de Jaén verschanzte Männer samt ihren Waffen und den einhundertfünfzigtausend Peseten, die sie gesammelt hatten, um sich mit ihren Genossen nach Frankreich abzusetzen, eine erbitterte Schlacht mit einer ganzen Kompanie der Guardia Civil. Sie hießen Tomás Villén Roldán und José Crispín Pérez, doch es war lange her, dass irgendwer sie bei ihren richtigen Namen genannt hatte.
»Abendessen!« Als ich die Augen aufschlug, sah ich Mutter vor mir, die mich sanft schüttelte. »Wie kannst du jetzt schlafen, es ist noch nicht mal halb zehn.«
»Wie soll ich das wissen? Ich darf ja nicht einmal raus … Und Vater?«
»Er ist noch nicht zurück.«
Die Schießerei hatte während der Siesta begonnen. Die Partisanen waren im Morgengrauen von den Bergen heruntergekommen, zu einer Zeit und auf einem Weg, die der Kerl, der sie verraten hatte, der Guardia Civil mitgeteilt hatte. Durch ein kleines offenes Fenster auf der Rückseite, das auf den Fluss hinausging, waren sie in das Haus eingestiegen. Als sie den Fluss überquerten, hatten sie in der Ferne zwei Müller in Blaumännern gesehen, die das Rad der Mühle von Zweigen und Laub reinigten. Es hatte sie nicht beunruhigt; sie waren in der Vergangenheit gesehen worden, und nie war etwas geschehen. Doch an dem Tag waren es keine Müller, sondern Männer der Guardia Civil in der Kleidung der beiden Arbeiter, die sie zuvor verhaftet hatten. Die Zeit verging, und es passierte nichts, bis gegen vier Uhr nachmittags einer von der Guardia Civil an die Tür klopfte und niemand öffnete. Das war der Anfang. Die Uniformierten umringten das Haus, konnten aber nicht hineinkommen. Drinnen waren nur die beiden Männer, draußen aber wurden es immer mehr, es traf Verstärkung ein, Polizisten aus den umliegenden Dörfern, die Miliz, bewaffnete Falangisten und schließlich eine Einheit der Armee. Es wurde Abend, aber sie waren kein bisschen weitergekommen. Die Freischärler feuerten auf jeden, der sich traute, die Straße zu überqueren, und der hochnäsige Oberst Marzal, der eigens aus Jaén gekommen war, um den Einsatz zu leiten, erklärte seinen Untergebenen, dass er jeden Moment die Geduld verlieren werde.
»Willst du keinen Nachtisch?«
»Nein, ich habe keinen Hunger.«
»Na dann, ab ins Bett!«
»Aber Mutter, wie soll ich jetzt schlafen, wenn ich doch gerade aufgewacht bin? Lass mich noch ein bisschen aufbleiben …«
Als es dunkel wurde, hatten die Belagerer schon fast alles versucht, sie hatten sogar eine Abordnung mit einer weißen Fahne geschickt, bestehend aus vier Genossen der Partisanen, die von demselben Mann verraten worden waren wie Cencerro. Doch bekamen sie nur zu hören, dass die Belagerten lieber in den Tod gingen, als sich zu ergeben. Sie selbst verkündeten es mit lautem Geschrei aus dem Innern des Hauses, während die Unterhändler begriffen, dass ihre letzte Stunde geschlagen hatte und ihnen zumindest der nächtliche Spaziergang erspart bliebe, denn jedes Mal, wenn sie versuchten, die Tür zu öffnen, eröffneten die draußen das Feuer, obwohl sie die weiße Fahne schwenkten. Kurz darauf flog das Haus in die Luft. Die Angreifer hatten Benzinfässer, an denen sie Dynamitstangen angebracht hatten, bis an die Fassade gerollt, doch als sie durch den Schutt und die Leichen vorrückten, wurden sie erneut mit Schüssen empfangen. Sie waren verdutzt und brauchten viel zu lange, um zu begreifen, dass Cencerro und Crispín ein Loch in die Wand geschlagen und sich ins Nachbarhaus geflüchtet hatten. Da war es bereits dunkel.
»Ab ins Bett, Nino. Es ist schon spät. Fast ein Uhr morgens.«
»Und Vater?«
»Was weiß ich? Hör endlich auf, mir Löcher in den Bauch zu fragen.«
Sie war sehr nervös, und meine Fragen machten alles nur noch schlimmer, aber auch ich war nervös und zum ersten Mal eingeschüchtert. Ich hatte dermaßen Angst vor dem, was geschehen konnte, dass ich das Risiko einging, noch einmal zu fragen.
»Sag mir nur eins. Ist er in Valdepeñas?«
»Nein,
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