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Der Feind meines Vaters - Roman

Der Feind meines Vaters - Roman

Titel: Der Feind meines Vaters - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Almudena Grandes
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sich um die Eier zu kümmern, übertrug Catalina das Geschäft ihrer jüngsten Tochter Filomena. Diese wurde bald zur erfolgreichsten Händlerin von Fuensanta de Martos, weil sie Bestellungen annahm und am nächsten Tag Kartoffeln, Tomaten oder Feigen brachte wie solche, die der Portugiese mir an diesem Nachmittag mitgab.
    »Deine Mutter hat mir erzählt, dass sie Feigen mag, und da es höchste Zeit ist, dass ich sie ernte … Aber morgen bringst du mir den Korb wieder, ich muss ihn Filo zurückgeben.«
    An diesem Tag begleitete er mich nicht ins Dorf zurück. Er blieb an der Tür stehen, als wollte er sich vergewissern, dass ich auch wirklich ging, und da sah ich das Laken erneut.
    »Soll ich es abnehmen?«, bot ich an, als ich daran vorbeiging. »Es ist schon trocken.«
    »Nein, nein.« Er machte einige Schritte auf mich zu, als wollte er seine Ablehnung bekräftigen. »Lass es hängen. Unter der Matratze ist kein Platz mehr.«
    Ich grinste und ging zufrieden nach Hause, denn ich hatte einen Grund, ihn wiederzusehen. Am nächsten Tag nahm ich den leeren Korb mit zur Prozession, doch als die Heilige Jungfrau noch weit von der Kapelle entfernt war, tauchte plötzlich Sanchís auf, der in der Kaserne Dienst hatte, und stoppte den Umzug. Dann ging alles sehr schnell. Vater hatte gerade Zeit, zwei Sätze mit ihm zu wechseln, doch Mutter schickte uns Kinder schon nach dem ersten augenblicklich nach Hause.
    »Befehl von oben«, erklärte sie, während sie mit einer erschöpften Geste Kopftuch und Schuhe abstreifte, wie jemand, der sich auf eine lange Belagerung vorbereitet. »Es ist strengstens verboten, aus dem Haus zu gehen; ihr dürft nicht einmal in den Hof, verstanden?«
    »Was ist denn los, Mutter?«, fragte Dulce, und ich dachte, dass wir es so oder so erst am nächsten Tag erfahren würden, wie üblich, doch dieses Mal irrte ich mich.
    »Sie haben Cencerro ausfindig gemacht. Offenbar hielt er sich in einem Randbezirk von Valdepeñas auf, zusammen mit einem Kumpel, den sie Crispín nennen, im Haus eines gemeinsamen Freundes, eines gewissen Gregorete.«
    »Er wird bestimmt wieder entkommen.« Die Nachricht hatte mich dermaßen überrascht, dass ich nicht einmal merkte, wie ich laut sagte: »Den kriegen sie nicht.«
    Als ich sah, dass Mutter und meine Schwester mich mit offenem Mund anstarrten, wurde mir klar, dass ich meine Prophezeiung lieber für mich hätte behalten sollen.
    »Ich meine, hoffentlich kriegen sie ihn, aber ich glaube es nicht, weil er ihnen doch immer wieder entwischt, oder etwa nicht?«, versuchte ich es zurechtzubiegen.
    »Immer ist nicht ewig, Nino«, entgegnete Mutter in einem Ton, der mir klarmachte, dass sie nicht weiter darüber diskutieren würde. »Cencerro ist auch nur ein Mensch, so wie dein Vater, wie jeder andere. Kein Mensch kann ewig entkommen.«
    Er schon, dachte ich, sagte aber nichts.
    Wenn es Vater erwischte und er wegen einer Razzia auf den Berg musste, ging Mutter erst zu Bett, wenn er wieder da war. In solchen Nächten fand auch ich keinen Schlaf. Ich lag auf dem Rücken, starrte an die Decke und lauschte in der Stille auf jedes Geräusch, bis ich seine Schritte und seine leise, vor Erschöpfung heisere Stimme hörte, mit der er Romero gute Nacht wünschte, und dann die Klagen, unterbrochen von Küssen, mit denen seine Frau ihn empfing. »Ich kann nicht mehr, eines Nachts sterbe ich noch vor Angst, das kann so nicht weitergehen, Antonino …« Manchmal stand ich auf und beobachtete sie durch einen Ritz in der Tür. Im Winter zitterte er vor Kälte, im Herbst war er klitschnass, im Sommer schwitzte er, aber zu jeder Jahreszeit fiel er erschöpft auf einen Stuhl, damit sie ihm die Stiefel ausziehen konnte, während er immer wieder dasselbe sagte. »Nichts, alles umsonst, verflucht sei dieser Hundesohn von Cencerro mitsamt seiner Sippschaft!« Ich wusste, dass er Gründe hatte, so zu reden, und Cencerro zu verfluchen und seine beschissene Zukunft, seinen beschissenen Lohn und sein beschissenes Leben, wie er sich ausdrückte, gleich mit, aber wenn ich mich wieder hinlegte, schlief ich sofort ein, weil beide überlebt hatten, mein Vater und sein Feind auch. Ich wusste, dass es schlimm war, sehr schlimm, dass ich so etwas weder denken noch fühlen durfte, aber ich konnte nicht anders.
    Ich bewunderte Cencerro. Ich bewunderte ihn, weil er der mächtigste, schlaueste und mutigste von allen Männern war, die ich kannte. Weil alle Frauen in der Sierra Sur für ihn schwärmten, so blond,

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