Der Feind meines Vaters - Roman
langen, heißen und trockenen Sommer. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, so wie an alle Ereignisse des Jahres 1947. Es markierte den Beginn einer Epoche, die für lange Zeit die wichtigste meines Lebens sein sollte. Doch wie als Entschuldigung dafür, dass es mich so früh mit den grausamen Widersprüchen des Lebens konfrontierte, machte das Jahr mir noch ein Geschenk, bevor es sich an der Grenze des Kalenders verlor.
Der Frost wartete nicht bis zum Dezember, doch meine Mutter erwartete ihn bereits. Als ich, weniger vor Kälte zitternd als von der Wucht seines ersten Prankenhiebs benommen, in die Küche trat, saß Mutter mit gerunzelter Stirn und wie üblich leise vor sich hin grummelnd neben dem Ofen. Sie hatte sich in einen alten Umhang meines Vaters gehüllt, sodass ich nicht sehen konnte, was sie machte, aber als ich neben ihr stand, lächelte sie mir zu. In den Händen hielt sie einen neuen Bezug, zwei aufeinandergelegte Stücke einer Decke, gerade so groß wie eine Sprudelflasche, die sie mit sauberen, festen Stichen und einem Wollfaden zusammengenäht hatte. An einem Ende hing ein rundes Teil, das wie ein Pfropf aussah und mit dem man die Flasche verschloss, um die Wärme zu bewahren und zu verhindern, dass das Wasser auslief.
»Sieh mal – gefällt sie dir?« Mutters Lächeln wurde breiter und bahnte sich einen Weg in ihre Augen.
»Ja, sehr.« Und da begriff ich. »Ist sie für mich?«
Als ich sah, wie sie nickte, empfand ich ein wildes Glücksgefühl, in das sich auch Stolz mischte, Dankbarkeit und Vorfreude bei der Vorstellung, dass ich mit meiner eigenen Wärmflasche in die Schule gehen würde. Ich fand keine Worte, um meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, deshalb stürzte ich mich auf sie, umarmte sie mit ganzer Kraft und küsste sie so heftig, dass der Stuhl mit uns beiden beinahe umgekippt wäre.
»Lass mich los, Nino, sonst fallen wir noch um!«, sagte sie und lachte.
»Danke, Mutter«, brachte ich schließlich heraus. »Danke, hunderttausendmal danke.«
»Schon gut. Im Januar wirst du zehn, nicht? Du bist erwachsen und viel verantwortungsbewusster als deine Schwester, und sie hat auch eine bekommen, als sie so alt war wie du. Aber du musst mir versprechen, dass du gut auf sie aufpasst. Lass sie beim Spielen nicht irgendwo liegen und stell sie nicht so hin, dass sie herunterfallen könnte. Wenn du sie kaputt machst oder jemand sie dir stiehlt, gibt es erst nächstes Jahr eine neue. Wir kriegen ja diese Pfandflaschen nicht geschenkt.«
»Mach dir keine Sorgen, Mutter, ich pass schon auf sie auf. Wo ist sie denn?«
»Ich habe sie noch nicht gekauft, außerdem hatte ich nicht einmal Zeit, um den Bezug fertig zu nähen. Ich muss noch das Knopfloch machen und den Verschluss anbringen, aber wenn du willst, kannst du sie heute Abend einweihen. Und heute, für die Schule …«
Sie zeigte auf den Kamin, und ich blickte ein letztes Mal ohne Groll oder Wehmut auf den glatten schwarzen Stein, der das offizielle Ende meiner Kindheit bescheinigte.
»Nein, das lohnt sich nicht. Heute wird es bestimmt nicht mehr so kalt.«
In meinem Dorf kannten wir in der Schule nur zwei Gruppen von Schülern, die Kleinen und die Großen, unterteilt nach einem Kriterium, das nichts mit denen von Don Eusebio zu tun hatte, wenn er uns in Kurse und Jahrgänge einteilte. Steine und Flaschen, das war das oberste Gesetz und rangierte noch vor Alter, Größe oder Wissen. Die Kleinen waren all jene, die mit einem heißen, in Lumpen gewickelten Stein, den man sich an die Brust drückte, das Haus verließen. Den Großen dagegen vertraute man eine mit kochendem Wasser gefüllte Sprudelflasche an, die der hausgemachte Bezug aus dem Stück einer dicken, abgenutzten Decke in eine Quelle angenehmer Wärme verwandelte. Die Flaschen hielten die Temperatur viel länger als die Steine, und man rollte sie gern auf den Schenkeln hin und her, wenn man in der Schulbank saß, oder legte sie auf den Boden, um sie zwischen den Knöcheln festzuhalten. Ich hatte es oft gesehen, wenn ich vergebens versuchte, mehr Wärme aus dem lauen Stein herauszuholen, den ich nach der Schule wieder mit nach Hause nahm und den Mutter auf den Kaminsims legte. Bevor sie mich ins Bett schickte, jenen anderen Ort, an dem das Gesetz der Steine und Flaschen die Großen von den Kleinen unterschied, wickelte sie ihn in Streifen aus alten Laken und gab ihn mir mit.
Die Aussicht, meinen Status zu verändern, hatte mich an jenem Tag mit solcher Aufregung erfüllt,
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