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Der Feind

Titel: Der Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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Klinge unterhalb des rechten Ohrs in den Hals. Der scharfe Stahl drang mühelos ein, und Rapp umfasste das Messer etwas fester und schlitzte ihm den Hals vom einen Ohr zum anderen auf.

5
RIAD, SAUDI-ARABIEN
    Auf den ersten Blick schien der Mann durchaus in seine Umgebung zu passen. Er trug die traditionelle Kleidung saudiarabischer Geschäftsleute, ein langes weißes Gewand, Thawb genannt, und sein dunkelblondes Haar war mit einem Ghutra , einem klassischen Kopftuch, bedeckt. Wenn man jedoch genauer hinsah, erkannte man an verschiedenen Merkmalen, dass er nicht auf der arabischen Halbinsel geboren war. Seine Haut war zwar dunkel, aber nicht im richtigen Farbton, er war glatt rasiert und trug schwarze Anzugschuhe statt Sandalen. Besonders auffällig aber war die blassblaue, fast graue Farbe seiner Augen. Im Moment waren die Augen jedoch hinter einer großen schwarzen Sonnenbrille verborgen.
    Es war erst neun Uhr vormittags in Riad und hatte schon über dreißig Grad. Die Hitze machte Erich Abel aber nichts aus – ja, es war ihm sogar am liebsten so. Nachdem er von Kindheit an Asthmatiker gewesen war, zog er das trockene Klima der saudi-arabischen Hauptstadt dem feuchten Wetter der Küstenstädte am Roten Meer bei Weitem vor. Abel hegte ein besonderes Interesse für dieses Land, was jedoch nicht am Klima oder vielleicht an den Menschen lag, sondern vielmehr daran, dass Saudi-Arabien die Weltpolitik in naher Zukunft maßgeblich beeinflussen würde. Es war ein aufregender Platz, um Geschäfte zu machen.
    Der ehemalige DDR-Spion war überzeugt, dass man sich unter die Einheimischen mischen und so wie sie leben musste, wenn man die Kultur eines Landes verstehen wollte. In Wahrheit war das jedoch nur zum Teil der Grund dafür, dass er die traditionelle arabische Kleidung trug. Die Realität war, dass man in Saudi-Arabien heutzutage gefährlich lebte, wenn man aus dem Westen kam. Man musste stets mit der Möglichkeit rechnen, entführt zu werden, wenngleich jeder, der dumm genug war, sich ihn als Opfer auszusuchen, ihn gleich wieder freilassen würde, sobald er erfuhr, für wen Abel arbeitete. Außerdem würden die Kidnapper Prinz Muhammad auf den Knien um Vergebung bitten. Das wahre Problem waren vielmehr die wahllosen Morde durch diese verrückten Wahabis. Es herrschte große Unruhe im Wüstenkönigreich, und es war ratsam, so unauffällig wie möglich zu bleiben.
    Wenn Abel über ein echtes Talent verfügte, dann war es seine Fähigkeit, Veränderungen vorherzusehen. Als er noch für die Stasi, die gefürchtete DDR-Geheimpolizei, gearbeitet hatte, war er der Einzige in seiner Dienststelle gewesen, der den Zusammenbruch des Kommunismus und den Fall der Berliner Mauer hatte kommen sehen. Er hatte dies auch in seinen Berichten an seine Vorgesetzten erwähnt, die ihm jedoch zu verstehen gaben, dass er noch zu jung und unerfahren sei, um die Lage beurteilen zu können. Als die Mauer fiel, war er neunundzwanzig und wurde von seinen kaltblütigen Stasi-Kollegen etwas geringschätzig als Intellektueller abgetan. Die Rücksichtslosigkeit, mit der die Stasi für gewöhnlich vorging, war tatsächlich ein Merkmal, das Abel fehlte. Im Grunde hätte er wohl besser zum britischen Auslandsgeheimdienst MI6 gepasst. Abel hegte großen Respekt für die Briten. Sie führten wirklich kreativ inszenierte Operationen durch und hatten Spaß daran, ihre Gegner zu überlisten. Die Stasi hingegen glich mehr einer sehr effizienten und rücksichtslos agierenden amerikanischen Mafia-Familie. Jedenfalls wollte kein Mensch an seine Vorhersage glauben, dass die kommunistische Diktatur bald zu Ende gehen würde.
    Abel war ein kränkliches Kind gewesen und musste unzählige Male ins Krankenhaus. Wenn er wieder nach Hause durfte, musste er noch lange das Bett hüten und fühlte sich manchmal sogar zu schwach, um zu lesen. Während sich die anderen Kinder körperlich entwickelten, tat er etwas für seinen geistigen Fortschritt. Mit nur zwanzig Jahren hatte er sein Studium der Mathematik und Wirtschaftswissenschaften absolviert und wurde von der Stasi rekrutiert. Die Berufsaussichten Anfang der Achtzigerjahre in der DDR waren nicht gerade rosig. Dieser Umstand sowie die Aussicht, sich als Angehöriger des Staatssicherheitsdienstes ein wenig dafür rächen zu können, dass er in der Schulzeit stets ein beliebtes Opfer für die anderen war, bewog ihn, das Angebot anzunehmen.
    In den ersten drei Jahren bei der Stasi bemühte er sich, von der Analyse- in die

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