Der Feind
durch, wie sich das Ganze entwickeln würde. Ein zusätzlicher Mann war okay. Ein Schlag mit dem Pistolengriff in den Nacken, und er wäre außer Gefecht. Im nächsten Augenblick würde er Khalil die Beine wegziehen und ihn zu Boden werfen, ohne dass der Mann auch nur mitbekam, wie ihm geschah. Aber drei – das war ein gewisses Problem. Es würde nicht einmal eine Sekunde brauchen, um alle drei mit einer Kugel in den Hinterkopf ins Jenseits zu befördern, aber es kam nicht infrage, die beiden anderen zu töten. Das war ganz einfach nicht Rapps Stil. Wenn er versuchen würde, erst die beiden anderen bewusstlos zu schlagen und danach Khalil auszuschalten, so konnte das unangenehme Folgen haben. Es war nicht ausgeschlossen, dass einer der Männer weglaufen konnte oder zumindest laut schreien und die Nachbarn alarmieren würde. Und wenn sie, was noch schlimmer wäre, bewaffnet waren, so musste er damit rechnen, selbst eine Kugel abzubekommen.
»Ich glaube, wir sollten die Sache abbrechen«, riet Coleman.
»Negativ. Wir wollen erst mal sehen, was passiert. Wie viel Zeit habe ich?«
»In etwa drei Minuten sollte er bei dir sein.«
Rapp nickte. Drei Minuten – das war eine lange Zeit. Er spielte in Gedanken einige andere Szenarien durch, die jedoch auch keine brauchbaren Alternativen darstellten. Das Problem war, wie er das Ganze aussehen lassen wollte. Er hätte natürlich Khalil erschießen und die beiden anderen wegjagen können, aber dann hätten sie genau den Schlamassel gehabt, den Irene Kennedy vermeiden wollte. Vielleicht sollte er dem Mistkerl einfach in seine Wohnung folgen und ihn dort erledigen.
»Einer der Kerle hat soeben die Gruppe verlassen«, meldete Coleman.
»Gut«, sagte Rapp. »Dann sind wir wieder auf Kurs. Haltet die Augen offen. Zwei ist kein Problem. Bleibt auf euren Posten, bis ich euch Bescheid sage.«
Rapp trat zur Ecke vor und blickte sich um. Die Straße war leer. Keine Fußgänger, keine Autos. Coleman und die anderen gaben ihm laufend die aktuelle Position der beiden Männer durch, als handelte es sich um den Countdown zu einem Raketenstart – mit dem Unterschied, dass sie nicht die Sekunden herunterzählten, sondern die Häuserblocks. Rapps Puls beschleunigte sich ein wenig, als sich die beiden näherten. Gleich würde das Adrenalin zu strömen beginnen, und dann musste er in Aktion treten, sonst würde sich das Gefühl von bleischweren Beinen einstellen. Sie kamen immer näher. Rapp trat von einem Fuß auf den anderen und tänzelte hin und her, wie ein Boxer, der in den Ring stieg.
Etwa zehn Meter entfernt war ein Minivan mit getönten Scheiben geparkt. Hinten im Wagen saß einer von Colemans Männern und verfolgte die Situation aufmerksam – jederzeit bereit, herauszuspringen und einzugreifen, wenn es nötig war. Der Mann war mit einer schallgedämpften Pistole bewaffnet. Schwerere Waffen waren auch nicht notwendig. Am anderen Ende des Blocks würde Coleman nun mit dem zweiten Van in Position gehen. Für den Fall, dass irgendetwas schiefgehen sollte, waren drei verschiedene Treffpunkte vereinbart. Wenn alles planmäßig verlief, würden sie noch rasch Rapps Kleider verschwinden lassen und dann ins Hotel zurückkehren, um noch ein paar Stunden zu schlafen, ehe sie am nächsten Morgen nach Hause fliegen würden.
Rapp konnte sie jetzt auch schon hören. Sie unterhielten sich auf Arabisch. Er lauschte ihren Schritten auf dem Bürgersteig. Es waren tatsächlich zwei Männer, wie Rapp am Geräusch erkannte. Er hörte Colemans ruhige Stimme im Ohrhörer.
»Khalil geht auf deiner Seite, der andere auf der Straßenseite. Beide haben die Hände in den Taschen.«
Rapp stellte sich die Männer vor. Er konnte nicht wissen, ob vielleicht einer der beiden bewaffnet war, aber mit dem Überraschungseffekt auf seiner Seite sollte das keine Rolle spielen. Ja, es war ihm sogar lieber, dass sie die Hände in den Taschen hatten. Bei Leuten mit mehr Erfahrung hätte ihn das beunruhigt, nicht aber bei diesen beiden. Khalil war wirklich ein Schwachkopf. Jeder Mensch mit einem Funken Verstand wäre nicht jeden Tag denselben Weg zur Moschee und wieder zurück gegangen. Einem anderen wäre längst aufgefallen, dass die Laternen in der Gasse plötzlich nicht mehr brannten. Ein anderer wäre auf die Straße ausgewichen, wenn er zu einer Sackgasse kam, und hätte seine Umgebung mit einer gewissen Wachsamkeit betrachtet. Dieser Kerl ließ nichts dergleichen erkennen.
Sie waren nun schon ganz nah. Coleman
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