Der Feind
beide Ellbogen auf seine Knie. »Ich will, dass das Finanzamt Coleman bis spätestens morgen früh in Ruhe lässt, sonst werde ich jemandem die Hölle heißmachen. Scott war immer für uns da, wenn wir ihn für irgendeinen Scheißjob gebraucht haben, und er hat sich nie beklagt.«
Sie wusste, dass es Rapp absolut ernst war, und sie wusste auch, dass es sinnlos gewesen wäre, mit ihm zu diskutieren. »Ich tue, was ich kann. Da wäre noch etwas anderes. Ich habe einen Anruf von deinem alten Freund Sayyid bekommen.« Irene Kennedy sprach von Ali Kyer, dem Chef des jordanischen Geheimdienstes.
Rapp fragte sich sofort, ob er etwas angestellt hatte. Sayyid wusste, wie er direkt mit ihm Kontakt aufnehmen konnte. Wenn er sich über seinen Kopf hinweg an Irene Kennedy wandte, dann bestand die Möglichkeit, dass er irgendjemanden verärgert hatte. »Und wie geht es meinem alten Freund?«, fragte Rapp vorsichtig.
»Gut. Er lässt dich grüßen, und er sagt, dass du ziemlich langweilig geworden bist, seit du verheiratet bist.« Irene Kennedy hob eine Augenbraue und sah ihn neugierig an. »Was meint er damit?«
»Er meint damit, dass ich langweilig geworden bin, seit ich verheiratet bin.«
»So, so. Na ja, Sayyid hat mir jedenfalls eine kleine Information zukommen lassen. Du bist anscheinend immer noch sehr beliebt in Saudi-Arabien.«
»Wollen sie eine Parade für mich abhalten?«
»Nicht ganz. Es ist eher das Gegenteil … jemand hat einen Preis auf deinen Kopf ausgesetzt.«
Rapp lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Wer?«
»Das wissen wir nicht. Sayyid geht der Frage nach.«
»Ist das alles?«
»Im Moment ja.«
Rapp überlegte einige Augenblicke. Es war nicht das erste Mal, dass ihn jemand beseitigen wollte, und es würde wohl nicht das letzte Mal sein. Er blickte auf seine Uhr. »Dann gehe ich wohl besser ins CTC hinüber.«
Irene Kennedy neigte den Kopf zur Seite und sah ihn etwas erstaunt an. »Beunruhigt dich die Nachricht denn gar nicht?«
Rapp zuckte die Achseln. »Irene, es wird immer irgendwo ein Verrückter herumlaufen, der mich töten will. Das ist eigentlich nichts Neues.«
Irene Kennedy nickte. »Versprich mir nur, dass du vorsichtig bist.«
»Das bin ich immer«, antwortete Rapp.
»Und versprich mir, dass du Sicherheitsleute anforderst, sobald dir irgendetwas Ungewöhnliches auffällt.«
Rapp stand auf und knöpfte sein Anzugjackett zu. »Auf jeden Fall.« Er wollte schon zur Tür gehen, als ihm noch etwas einfiel. »Irene, würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Natürlich.«
»Könntest du dem Secret Service darüber Bescheid sagen? Ich wüsste es zu schätzen, wenn sie ein Auge auf Anna haben, wenn sie zur Arbeit fährt.«
Irene hatte das ohnehin schon vorgehabt. »Ich rufe Jack Warch sofort an.«
»Danke.« Während er das Büro der Direktorin verließ, eilten seine Gedanken bereits voraus. Er würde ein viel besseres Gefühl haben, wenn das neue Haus fertig war. Das verdammte Ding würde sicherer sein als Fort Knox. Wenn er erst dort wohnte, konnten die Verrückten, die ihm nach dem Leben trachteten, tun, was sie wollten. Sie würden schon extrem schwere Geschütze auffahren müssen, um hineinzukommen. Und wenn es ihnen wider Erwarten doch gelingen sollte, würde er ein paar nette Überraschungen für sie in petto haben.
21
PARIS, FRANKREICH
Er hatte fast überhaupt nichts unternommen, um sie zu dem neuen Auftrag zu überreden, weil er wusste, dass ihre Bedenken dadurch vielleicht nur noch größer geworden wären. In jener Nacht, als er es ihr gesagt hatte, gab er ihr einfach die Gelegenheit, sich in Ruhe mit der Sache zu beschäftigen. Sie hatten sich geliebt und für eine Weile nicht mehr an Mitch Rapp und das Töten im Allgemeinen gedacht. Auch am nächsten Morgen beim Frühstück sprachen sie kein Wort über die Sache. Sie lasen Zeitung, rauchten eine Zigarette und schwiegen. Er wusste, dass Claudia gründlich über alles nachdachte.
Claudia Morrell war der General, der Feldmarschall, der Stratege des Teams. Louie war für die Jagd und das Töten zuständig; er besaß außergewöhnliche Instinkte, die ihm stets sagten, wann es Zeit war, zuzuschlagen oder sich zurückzuziehen. Er hatte ein sicheres Gespür für die Gesamtsituation, während Claudias Stärke in den Details lag. Sie war besser darin, das Risiko abzuschätzen, während Louie der Überzeugung war, dass man jedes Hindernis überwinden konnte, wenn man nur gut und entschlossen genug war. Sie wusste,
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