Der Feind
wann es besser war, die Finger von etwas zu lassen, während er ein Problem oft als besondere Herausforderung betrachtete. Irgendeine dunkle, verrückte Seite in ihm hatte sogar gehofft, dass der Deutsche ihn bitten würde, den amerikanischen Präsidenten zu töten. Er hatte zu dem Staatsoberhaupt weder eine positive noch eine negative Einstellung – er hätte es ganz einfach als eine immense Herausforderung für seine Fähigkeiten betrachtet, etwas, über das man noch in späteren Jahrhunderten sprechen würde. Den am besten geschützten Mann der Welt zu töten und ungeschoren davonzukommen – das wäre in seiner Branche wohl das Höchste gewesen. Er hatte sogar schon davon geträumt, wie er als alter Mann auf dem Totenbett das Geheimnis seiner Tat preisgab, indem er über Details sprach, die nur der Täter wissen konnte. Vielleicht würde er ihnen sogar verraten, wo er das Gewehr versteckt hatte. Das war der einzige Weg, einen so umfassend geschützten Mann zu töten. Sprengstoff wäre natürlich auch möglich gewesen, aber Bomben waren etwas umständlich und töteten außerdem zu viele Unschuldige. Mit einer Bombe konnte man es sich leicht machen, was ein wirklich guter Killer niemals tat.
Rapp hingegen war ein ganz anderer Fall. Auch wenn Claudia sehr besorgt war, wusste Louie doch genau, dass er einen großen Vorteil besaß; er hatte den Überraschungseffekt auf seiner Seite. Er wusste, dass er, wenn die Rollen umgekehrt verteilt gewesen wären, nicht den Funken einer Chance gegen einen Mann von Rapps Kaliber gehabt hätte. Der Nachteil, dass er auf Rapps Territorium vorgehen musste, wurde dadurch ausgeglichen, dass er einst in Washington die Highschool besucht hatte, als sein Vater französischer Botschafter gewesen war. Louies amerikanisches Englisch war makellos. Trotz Claudias Bedenken war er äußerst zuversichtlich, diesen Job erledigen und sich danach zur Ruhe setzen zu können. Nun, was den Ruhestand betraf, war er sich in Wirklichkeit nicht ganz so sicher, aber das hatte er Claudia nicht gesagt.
Nachdem sie zwei Tassen Kaffee getrunken hatte, legte sie die Zeitung weg und sagte: »Willst du wissen, wie ich darüber denke?«
»Ich warte schon den ganzen Morgen darauf.«
»Der Deutsche arbeitet für die Saudis. Dort hat er seine Kontakte. Ich mag die Saudis nicht, aber mir gefällt die Vorstellung, dass wir uns irgendwo niederlassen und ein normales Leben führen können.« Sie hielt inne und sah ihn mit ernster Miene an. »Aber ich bin mir nicht so sicher, ob du das wirklich willst.«
»Warum?«
»Was willst du denn tun? Den ganzen Tag in der Sonne liegen und Bier trinken …?« Sie schüttelte den Kopf. »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Claudia, wir werden sehr reich sein. Ich kann tun, was immer ich will.«
Sie sah ihn ziemlich skeptisch an. »Ich will, dass du ernsthaft darüber nachdenkst. Ich will Kinder, und ich will, dass wir das alles endlich hinter uns lassen. Andere Menschen zu töten war nicht das, was ich mir für mein Leben vorgestellt habe.«
Sie streckte die Arme aus und zeigte auf die schmutzigen Wände der schäbigen Wohnung. »Keine Aufträge mehr, kein Herumziehen von einer Stadt in die andere. Ich will aussteigen.«
»Ich auch.« Louie wusste, dass es darauf ankam, ihr recht zu geben. Wie ein Alkoholiker hatte er den ehrlichen Wunsch aufzuhören. Er wusste, dass es das Beste für sie beide wäre, aber er war sich ganz einfach nicht sicher, ob er widerstehen konnte, wenn sich der Jagdinstinkt wieder meldete.
Sie wollte so sehr daran glauben, dass ein anderes Leben möglich war, und so gab sie sich mit seiner Antwort zufrieden. »Gut, wir werden es folgendermaßen machen. Ich traue dem Deutschen nicht. Er würde uns ohne zu zögern über Bord werfen, und was das Geld betrifft, ist er ein Gauner. Wir wissen, dass er für die Saudis arbeitet, und ich schätze, dass seine Auftraggeber nicht in der Regierung sitzen, sondern dass es irgendeine Privatperson oder Gruppe ist. Und die haben prall gefüllte Geldschränke.«
»Das sehe ich auch so.«
»Gut. Dann werde ich Herrn Abel anrufen und ihm sagen, dass unser Honorar zehn Millionen beträgt.«
Louie gefiel der Gedanke nicht, die Vereinbarung zu ändern. »Aber ich habe ihm schon gesagt, dass wir sieben Millionen verlangen.«
»Ich weiß, aber die Saudis sind nicht rational, wenn es ums Geld geht. Sie sind da sehr impulsiv. Wenn sie bereit sind, sieben zu zahlen, dann zahlen sie auch zehn … glaub mir.«
»Warum
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