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Der feine Unterschied

Titel: Der feine Unterschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philpp Lahm
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Spielverständnis zusammenfassen.
    Spielverständnis ist die Veredelung der puren Freude am Bolzen. Wer früh damit beginnt, Zusammenhänge auf dem Platz zu begreifen und daraus abzulesen, was als Nächstes, als Übernächstes passieren wird, schärft seine Spielintelligenz. Um gut Fußball zu spielen, reicht es nämlich nicht, 500-mal danteln zu können. Viel wichtiger ist der Instinkt, wo du stehen musst, damit dein Mitspieler dir den Ball zuspielen kann, wohin du laufen musst, um dich der Deckung deines Gegenspielers zu entziehen, wo du am besten Position beziehst, um den Angriff des Gegners zu unterbinden. Wenn du für diese Grundrechenarten des Fußballs nicht früh Interesse entwickelst, wirst du es auf dem Weg zum Profifußballer schwer haben.
    Ich hatte das Glück, dass ich früh meine Position fand. Schon in den Jugendmannschaften spielte ich oft rechts in der Verteidigung, manchmal auch im defensiven Mittelfeld. Das ist wichtig, damit du die Position in- und auswendig kennst, wenn du im Profifußball angekommen bist. Ich glaube, dass nur Spieler, die jahrelang auf derselben Position spielen, sich dort auf Weltklasseniveau entwickeln können. Wenn ich jetzt zum Beispiel zum Mittelfeldspieler umgeschult würde, täte ich mich schwer-wobei sogar das schon zweimal der Fall war: in einem Länderspiel gegen England, wo uns ein ganzes Mittelfeld verletzt ausgefallen war, wurde ich als Abräumer vor der Abwehr aufgestellt. Es gab damals übrigens kein Debakel, obwohl wir mit dem kleinsten deutschen Mittelfeld aller Zeiten antraten, Schneider, Lahm, Trochowski, keiner größer als 1,70 Meter. Wir gewannen 2:1 und fügten England die erste Niederlage im damals neu gebauten Wembley-Stadion zu.
    Im letzten Frühjahr spielte ich dann gegen Aserbaidschan auf der Sechs, weil am Ende einer unendlich langen Saison alle unsere defensiven Mittelfeldspieler ausgefallen waren. Auch da gewannen wir, 3:1.
    Fußball ist Spitzensport, aber Fußball ist auch Unterhaltung für die Massen. Jeder Fußballer, der in der Bundesliga aufläuft, wird von den Medien genau beobachtet. Wenn er gut spielt, wird die Beobachtung intensiver, und wenn er erst einmal für die Nationalmannschaft nominiert wird, bleibt kein Schritt mehr unbeobachtet.
    Mir war von Anfang an eines klar: mir ist nicht egal, wie ich in den Medien rüberkomme. Ich möchte, wenn ich schon in der Zeitung stehe oder im Fernsehen auftrete, nicht wie der Depp dastehen.
    Deshalb habe ich mich von Anfang an intensiv mit dem Thema beschäftigt. Es ist natürlich gut, wenn du dafür einen Spezialisten an der Seite hast — mein Berater Roman Grill hat in der Kommunikationsabteilung des FC Bayern das Handwerk gelernt und mich von Anfang an gecoacht: Wie werden Interviews geführt? Wie kommen welche Spieler rüber? Was kommt gut an und wie möchtest du auf keinen Fall gesehen werden?
    Spätestens wenn nach dem Spiel ein Reporter mit dem Mikrofon vor dir steht und wissen will, was du zur gerade abgepfiffenen Partie sagst, musst du dich entschieden haben: Möchte ich mir mit irgendwelchen Phrasen über die Distanz helfen oder mache ich eine Aussage mit Hand und Fuß?
    Ich habe mich dafür entschieden, jedes Interview, das ich gebe, ernst zu nehmen und eine klare Aussage zu treffen. Ebenso klar ist, dass ich darin nichts über meine Mitspieler sage. Kritik darf immer nur pauschal, nie persönlich geäußert werden — was zu sagen ist, wird intern besprochen.
    Ich bin auf jedes Interview, auf jede Pressekonferenz, die ich gebe, vorbereitet. In unserer Branche wird jedes Wort, das du sagst, interpretiert: die Presse wartet nur darauf, dass sie Zwistigkeiten in der Mannschaft mitkriegt oder Kritik am Trainer oder Ähnliches. Dann wird eine Story daraus, und selbst wenn nur eine Mücke zum Elefanten aufgeblasen wird, müssen sich die Betreffenden damit auseinandersetzen und haben plötzlich Probleme am Hals, die mit etwas mehr Sorgfalt in der Wortwahl zu vermeiden gewesen wären.
    Du musst gut informiert sein, und es schadet auch nicht, wenn dein Horizont nicht an der eigenen Nasenspitze endet. Sagen wir so: Fußball ist ein so komplexes Spiel geworden, dass der Blick über den Tellerrand geradezu eine Voraussetzung dafür ist, dass du in deinem Sport umfassend erfolgreich bist.
    Du solltest die Mechanismen der Presse kennen. Du solltest wissen, wie verschiedene Zeitungen und Magazine ihre Geschichten aufziehen. Du solltest eine Ahnung davon haben, welche Sätze im Fernsehen gesendet und

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