Der Feuergott der Marranen
ließen die Zügel schießen. Die
Maultiere sausten, Sandwolken aufwirbelnd, im gestreckten Galopp dahin.
Als sich die Reisenden zwischen den beiden Steinen befanden, fühlten sie sich nach
links gezogen. Ob sie nun die Mitte falsch bestimmt hatten und dem linken Stein näher
waren, oder ob die magische Kraft des letzteren größer war - das wußten Ann und Tim
nicht. Sie fühlten nur, daß die Hexerei Gingemas sie aus den Satteln zerrte.
Anns Kräfte versagten, und sie fiel mit einem leisen Aufschrei aus dem Sattel. Zum
Unglück kam sie auf die Beine zu stehen, und die böse Kraft, die von dem Stein
ausging, zog sie unwiderstehlich an.
Das Maultier Tims, das kräftiger war als Anns, hatte die Gefahrenzone fast
überwunden, als der Junge den Aufschrei des Mädchens hörte und Cäsar mit leerem
Sattel hinter sich hertraben sah.
Tim war fast schon in Sicherheit, aber angesichts der Gefahr, in der Ann schwebte,
schwankte er keinen Augenblick: Er riß seinen Hannibal herum, erreichte im Nu das
Mädchen und zog es mit kräftigem Ruck zu sich hinauf.
Später konnten sich die Kinder an die Einzelheiten dieser schrecklichen Minuten, die
ihnen wie eine Ewigkeit vorkamen, nicht mehr erinnern. Sie entsannen sich nur, wie das
Maultier unter der doppelten Last gekeucht und der Sand unter seinen Hufen gespritzt
hatte.
Zoll um Zoll entrang sich Hannibal der unheimlichen Kraft, bis sie zu wirken aufhörte.
Ein siegreiches Wiehern verkündete, daß der Bann gebrochen war, und frei stürmte das
edle Tier dahin.
Bald war auch Cäsar eingefangen. Die völlig erschöpfte
Ann blieb aber, von ihrem Gefährten gestützt, noch lange im Sattel Hannibals sitzen.
Als sie zu sich kam, dankte sie, Tränen in den Augen, dem tapferen Jungen.
„Laß nur”, wehrte Tim ab, „nicht mir, sondern Hannibal hast du deine Rettung zu
verdanken.”
Die schwarzen Steine Gingemas lagen jetzt weit hinter ihnen, und die Maultiere trabten
schnell dahin. Tiere aus Fleisch und Blut wären längst ermattet, die mechanischen
Rappen aber schienen genau so frisch wie zu Beginn der Reise.
In der Ferne tauchten die schneebedeckten Gipfel der Weltumspannenden Berge auf.
Jetzt, da sie nicht mehr zu eilen brauchten, beschlossen die Reisenden, Rast zu machen.
Von der überstandenen Gefahr noch ganz benommen, konnten Tim und Ann aber
keinen Bissen herunterbringen, nur ihr Durst war schier unstillbar, und sie tranken sehr
viel Wasser.
DURCH DIE BERGE
Die beiden Kinder wollten in das Tal mit den wunderbaren Weintrauben gelangen,
in dem einst Elli und Charlie Black nach ihrer Wüstenreise ausgeruht hatten. Wegen
der schwarzen Steine waren aber Tim und Ann vom Kurs abgekommen und
erreichten die Berge an einer anderen Stelle. Allerdings sprudelte auch dort ein
Bach, an dem Obstbäume standen, aber Reben waren da nicht zu sehen.
Kaum hatten Ann und Tim auf einer kleinen Wiese ein Lager aufgeschlagen, da
begannen auch schon die Wunder. Den Anfang machte Arto. Als Ann ihn aus dem
Sack nahm, gähnte er, holte tief Atem und sagte mit klarer Stimme:
„Uh, war das eine Qual in dem stickigen Loch! Endlich kann ich mir die Pfoten
vertreten!”
Obwohl die Kinder längst wußten, daß im Zauberland auch die Tiere sprechen,
blickten sie ihren vierbeinigen Gefährten voller Staunen an. Wie steigerte sich aber
erst ihre Verwunderung, als das Hündchen um die Maultiere zu hüpfen begann und
Anstalten machte, sie in die Beine zu beißen, und plötzlich Cäsar mit angenehmer
Baritonstimme sagte:
„Nicht so übermütig, Freundchen, oder du bekommst meine Hufe zu spüren!”
Hannibal fügte in tiefem Baß hinzu:
„Würde ihm nur recht geschehen! Diese Hündchen sind ja unausstehlich…”
„Wieso, Freunde, auch ihr habt das Sprechen erlernt?” rief Ann verdutzt.
„Warum denn nicht?” erwiderte Cäsar.
In der Tat: Warum sollten sich Maultiere im Zauberland nicht wie lebende Wesen
verhalten und nicht sprechen, wo doch eine Vogelscheuche aus Stroh und ein Mann
aus Eisen hier lebten und sprachen?!
Cäsar war anscheinend neugieriger als sein Gefährte, denn er fragte:
„Sag, bitte, Ann, was bedeuten unsere Namen? Warum heißen wir eigentlich Cäsar und
Hannibal und nicht anders?” Ann und Tim wußten zunächst nichts zu antworten. Sie
hatten ja erst die erste Klasse abgeschlossen, in der es noch keinen Geschichtsunterricht
gab. Allerdings hatte Elli, als sie den Tieren die Namen gab, dem Schwesterchen ihre
Bedeutung erklärt, und Ann hatte einiges
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