Der Feuergott der Marranen
die Gefahr vorbei war, Arto ein verächtliches Gebell anstimmte, sagte Ann
zu ihm neckend: „Großartig, du Maulheld!”
DIE GROSSE WÜSTE
Mit Hilfe der Kompasse hielten unsere Reisenden den richtigen Kurs ein, obwohl
die auch ohne Kompaß den Weg nicht verfehlt hätten. Ann hatte von ihrer Schwester
so oft die Geschichte der Reise mit dem einbeinigen Seemann gehört, daß ihr jetzt
schien, als sei sie selbst schon einmal hier gewesen, habe selbst den heißen Atem
des Windes gespürt, der aus der Wüste blies, und die garstigen Köpfe der Echsen
gesehen, die sich in den Dünen verbargen. Da war auch schon der Wald, hinter demdie große Wüste lag.
„Guten Tag, alter Freund!” rief Ann freudig. „Aus deinen Bäumen hat Onkel Charlie
einst das Wüstenschiff gebaut, das noch jetzt irgendwo am Waldessaum steht. Aber
wir wollen es nicht suchen, nicht wahr, Tim?”
„Wozu auch?” erwiderte der Junge. „Cäsar und Hannibal sind bestimmt besser als
jedes Schiff, mag es ein Wüsten- oder Meeresschiff sein.”
Tim und Ann bereiteten sich gründlich, auf die riskante Wüstenreise vor. Sie
beschlossen, schon in der Dämmerung aufzubrechen, solange es noch kühl war.
Zunächst füllten sie ihre Flaschen an einer Quelle. und tranken so viel Wasser, wie
sie konnten. Dann begossen sie sich und das Hündchen von Kopf bis Fuß und
setzten dunkle Netzbrillen auf, um ihre Augen gegen den Flugsand zu schützen.
Arto, dem es bange wurde, kauerte sich tief in seinen Sack, was seine Herrin sehr
vernünftig fand. Natürlich trank sich auch das Hündchen vor der Reise ausgiebig
satt.
Die Stimmung der beiden Kinder war sehr ernst. Scherz und Mutwillen waren
verflogen, und ihre Herzen schlugen laut. Die bisherigen Erlebnisse kamen ihnen
jetzt unbedeutend vor im Vergleich zu dem, was ihrer harrte.
Groß und unheimlich lag die Wüste in ihrer feierlichen Stille da.
„Nun aber los!” sagte Tim entschlossen. Wenn es sein muß, werde ich mein Leben ohne
Zaudern für Ann hingeben`, dachte er bei sich.
„Du hast recht: Wer auf der Stelle tritt, kommt nicht vom Fleck`, wie der Weise
Scheuch sagte”, erwiderte Ann, die von ihrer Schwester viele Aussprüche des
dreimalweisen Herrschers der Smaragdenstadt gehört hatte.
Die Kinder ritten im Trab. An Galopp war hier nicht zu denken, denn die Hufen der
Maultiere würden tief im Sand versinken. Trotzdem konnte Ann, als sie sich eine halbe
Stunde später umwandte, kaum noch den Saum des Waldes erkennen. Während die
elektrisch geladenen Tiere Meile um Meile hinter sich brachten, dachte Ann nur an eins:
Wie umgehen wir nur die schrecklichen schwarzen Steine Gingemas?
Sie wußte nämlich von ihrer Schwester, daß die böse Hexe lange vor ihrem Tod das
Zauberland mit Steinen umgeben hatte, die eine geheimnisvolle Anziehungskraft
besaßen. An einem solchen Stein waren Elli und Charlie Black beinahe umgekommen,
weil der Stein ihr Wüstenschiff festhielt und die Bewegungsfreiheit der Insassen auf
hundert Schritt im Umkreis bannte. Zum Glück hatten die beiden damals die Krähe
Kaggi-Karr ziehen lassen, die mit einer Weintraube im Schnabel zurückkehrte, welche
den Zauber des Steins brach.
Die Zauberkraft der Steine konnte in den verflossenen Jahren zwar versiegt oder
schwächer geworden sein, dennoch war es besser, nicht zu riskieren.
Ann befolgte den Rat ihrer Schwester, stoppte alle halbe Stunde den Lauf ihres Cäsar
und hielt mit dem Fernrohr Ausschau. Als die Kleider der Kinder schon längst trocken
waren (sie hatten unterdessen mindestens dreimal Wasser getrunken), erspähte Ann in
der Ferne einen schwarzen Fleck.
„Der schwarze Stein Gingemas!” rief das Mädchen aufgeregt.
„Wo siehst du ihn?” fragte Tim.
Das Fernrohr ans Auge setzend, gewahrte auch er den Stein.
Ein Plan gegen die böse Zauberkraft Gingemas war schon zu Hause ausgearbeitet
worden. Die Idee stammte von Elli: Wenn zwei Menschen einen Gegenstand, zum
Beispiel einen Tisch, in entgegengesetzte Richtungen ziehen, bleibt er auf der Stelle
stehen, hatte Elli gesagt. Wenn man sich in gleicher Entfernung zwischen zwei
schwarzen Steinen bewege, würde der eine die Reisenden nach rechts, der andere nach
links ziehen, und die Kräfte würden sich gegenseitig aufheben.
Nach dem Auftauchen des ersten Steins schwenkten Ann und Tim seitwärts ab und
ritten langsam, bis sie den zweiten erblickten. Jetzt, dachten sie, sei es ein leichtes, den
Weg mitten zwischen die beiden Steine zu nehmen, und
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