Der Feuergott der Marranen
absetzend, erstattete Kaggi-Karr Bericht.
Der Kasten, sagte sie, stehe in einer Wandnische des Thronsaales. Hätten ihre Kräfte
ausgereicht, sie hätte ihn mitnehmen und herbringen können, denn der Thronsaal war
völlig leer.
An diesem Tag war an einen erneuten Flug in den Palast nicht mehr zu denken, denn die
Sonne ging bereits unter. Tim sagte, er wolle am nächsten Morgen selbst hingehen, nur
müsse ihm Kaggi-Karr den Weg zeigen.
DIE KÖNIGIN DER FELDMÄUSE
Den Talisman auf dem Kopf und die Krähe auf der Schulter, machte sich Tim am
nächsten Morgen auf den Weg. Ann blieb unter dem Schutz Artos zurück. Falls ihnen
Gefahr drohen sollte, sagte Tim, sollten sie sich sofort im Keller verstecken.
Früher war jeder, der in die Smaragdenstadt kam, verblüfft gewesen von ihrer Pracht:
den schönen Häuserfassaden, den Springbrunnen, den wehenden Fahnen, den
funkelnden Smaragden und dem wogenden Strom der Menschen in den bunten, schönen
Kleidern…
Die Herrschaft Urfins hatte all dem ein Ende gemacht. Die Fahnen waren eingezogen,
die Springbrunnen versiegt, die Smaragden waren aus den Fassaden herausgebrochen
und in der königlichen Abstellkammer versteckt, die Einwohner aus der Stadt vertrieben
worden. In den Straßen konnte man lediglich Marranen mit ihren großen Köpfen sehen.
Tim paßte auf, daß es zu keiner unerwünschten Begegnung kam. Er hatte mit der Krähe
ausgemacht, daß sie mit dem Schnabel sein rechtes oder linkes Ohr berühre, wenn er
nach rechts oder links einschwenken solle. Das war ein guter Einfall, den die
krächzende Stimme der Krähe, die beim besten Willen nicht leise sprechen konnte, wäre
der Umgebung bestimmt aufgefallen.
Von der Krähe geleitet, erreichte Tim ohne Zwischenfall den Thronsaal, der
glücklicherweise leer war. Augenblicklich nahm der Junge den magischen Kasten aus
der Nische und wandte sich dem Ausgang zu. In diesem Augenblick wurden Schritte
hörbar. Tim blieb wie angewurzelt stehen, da trat Urfin in den Saal. Der Junge erkannte
ihn an den grellen Kleidern, den buschigen schwarzen Brauen und dem bösen Blick.
Dem Jungen kam der verwegene Gedanke, der Herrschaft des Bösewichts mit einem
Schlag ein Ende zu machen.
,Wenn ich ihn erschlage, sind wir alle Sorgen los… Zwar habe ich keine Waffe, aber mit
diesem schweren Kasten wird es sich doch auch machen lassen!` ging es ihm durch den
Kopf.
Ohne lange zu überlegen, erhob der kräftige Junge den Fernseher und schlug ihn mit
aller Wucht auf den Kopf des Königs. Urfin fiel mit einem Aufschrei zu Boden. Sein
Schädel war jedoch viel härter, als Tim gedacht hatte, und außerdem hatte der Kasten
ihn nicht voll getroffen, sondern nur gestreift.
Auf den Schrei hin stürzten Kabr Gwin, Enkin Fred und Wachen in den Saal.
„Alle Türen und Fenster schließen! Feinde sind in den Palast eingedrungen!” brüllte der
König.
Um die Aufmerksamkeit Urfins und seines Gefolges abzulenken, löste sich Kaggi-Karr
von Tims Schulter und flog kreischend durch den Saal. Gwin und die Marranen stürzten
ihr nach, und es entstand ein entsetzlicher Tumult.
Unterdessen rannte der unsichtbare Tim durch Fluren und Hallen in der Hoffnung, den
Ausgang zu finden. Etwa fünf Minuten narrte die umherflatternde Kaggi-Karr die
Häscher und entkam schließlich durch eine offene Fensterklappe. Aufgeregt und
zerzaust kehrte sie in das Häuschen zurück, in dem sich Ann und Arto verbargen.
„Was ist geschehen? Wo ist Tim? Habt ihr den Kasten gefunden?” rief das Mädchen
entsetzt.
Als die Krähe ihr den Vorfall erzählte, schlug es die Hände über den Kopf zusammen:
„Oh, der Unglückliche! Er ist verloren!”
„Möglich”, sagte Kaggi-Karr trocken. „Ich habe die Leute zwar eine Zeit lang
abgelenkt, aber Tim konnte sich verirrt haben und ihnen in die Hände gefallen sein…”
Ann begann bitter zu weinen.
„Heule nicht, da bin ich!” hörte sie plötzlich Tims Stimme.
Da stand er nun im Türrahmen, den rosa Kasten in den Händen. Er war gerade in dem
Augenblick aus dem Fenster gesprungen, als der Herrscher es zuschlagen wollte.
Das Mädchen freute sich sehr, obwohl es Tim wegen seines Leichtsinns schalt.
„Was hast du nur angerichtet!” rief Ann. „Jetzt weiß Urfin, daß Freunde des Scheuchs
auf der Insel sind, und er wird bestimmt seine Vorkehrungen treffen.”
Tim wurde abwechselnd rot und blaß vor Reue. Doch dann entgegnete er:
„Nach dem Verschwinden des Kastens hätte Urfin sowieso Verdacht
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