Der Feuergott der Marranen
lösten. Zum letztenmal warfen sie noch
einen Blick auf den Scheuch und seine Freunde, die in der Gefangenschaft
schmachteten. Din Gior und Faramant legten sich schlafen, während der Holzfäller den
Scheuch zum Trocknen unter die Strahlen der untergehenden Sonne stellte, die durch
das kleine Fenster hereinschien.
Ann sagte:
„Kasten, Kästchen, mach jetzt Schluß, wir danken dir für den Genuß!”
Der Fernseher erlosch.
„Morgen bei Tagesanbruch”, sagte die Krähe, „werde ich zu den Gefangenen fliegen
und sie trösten. Ich werde ihnen erzählen, was ich heute gesehen habe.” Plötzlich
machte sie eine tiefe Verbeugung vor dem Kasten und murmelte: „Verzeih mir
dummem Vogel, daß ich so respektlos von dir sprach. Jetzt habe ich mich überzeugt,
daß du das größte Wunder in unserem Lande bist!”
DAS SCHLAFWASSER WIRD WIEDER GEBRAUCHT
Am Morgen besuchte Kaggi-Karr die Gefangenen im Schuppen Ol Burns. Eine Flucht
war unmöglich, weil der Schuppen dicke Wände und feste Türen hatte, vor denen
schlaflose Nuch-Nuch-Trinker Tag und Nacht Wache hielten.
Zurückgekehrt erzählte die Kundschafterin, was sie gesehen hatte. Sie beschloß
ihren Bericht mit den Worten: „Solange wir die Wachen nicht einschläfern, werden
wir unsere Freunde nicht befreien können. Da kann uns nur die Heilige Quelle
helfen.”
„Ihr meint die Zauberquelle, mit deren Wasser die unterirdischen Könige
eingeschläfert wurden?” fragte Ann. „Genau”, erwiderte Kaggi-Karr. „Der Weg ist
zwar lang und beschwerlich, aber ich sehe kein anderes Mittel.” Das war
einleuchtend.
Man beschloß, noch am selben Tag aufzubrechen. KaggiKarr suchte erneut die
Gefangenen auf und sagte ihnen, sie sollten sich noch ein paar Tage gedulden.
Vor dem Aufbruch wollte Ann noch einmal das Land der unterirdischen Erzgräber
sehen, aber der Kasten blieb finster und stumm. Er konnte die Höhle nicht zeigen,
weil sie tief unter der Erde lag und keinen Lichtstrahl einließ. Um den schweren
Fernseher nicht mitschleppen zu müssen, beschloß man, ihn neben dem Haus zu
vergraben. Die Maultiere lagen dort, wo man sie zurückgelassen hatte. Drei
Stunden lang hatte sie die Sonne beschienen und derart aufgeladen, daß sie beim
Anblick Anns und Tims wie wild zu schnauben und zu wiehern begannen.
Ann und Tim, die die Gefangenen möglichst schnell befreien wollten, ließen jede
Vorsicht außer acht und ritten in rasendem Galopp. Wie der Wind brausten sie an
den Wachtposten vorbei, die kaum die Umrisse der seltsamen Tiere erkennen
konnten. Die Disziplin der Wachen hatte stark nachgelassen, woran die
versprengten Soldaten aus dem Regiment Charts schuld waren, die schreckliche
Geschichten von fliegenden Ungeheuern und sechsfüßigen Tieren erzählten, die
immer näher kamen und gewiß bald dasein würden.
Tim war voller Zuversicht. Noch bevor die nicht allzu eifrigen Boten die
Smaragdeninsel erreichen und Urfin von der nahenden Gefahr benachrichtigen konnten,
würden die Kinder in der Höhle gewesen und mit dem Schlafwasser zurückgekehrt sein.
Drei Tage später standen unsere Freunde vor dem Tor des unterirdischen Reichs. KaggiKarr sagte, sie wolle lieber draußen warten.
„Ich verspüre keine Lust, mich in dieser Höhle herumzutreiben. Ich habe genug von ihr
gesehen, als ich mit dem Scheuch und dem Holzfäller da war”, sagte die Krähe
mürrisch. „Lieber wärme ich mich derweilen in der Sonne.” Ann erschauerte bei dem
Gedanken, daß sie bald das wunderbare Land betreten werde, wo ihre Schwester so
viele spannende Abenteuer erlebt hatte.
Ewiger Herbst lag über den Fluren und Hügeln des riesigen Reichs, das sich vor den
Kindern auftat. Da war alles rot, gelb und braun. Hoch oben rauchten goldgelbe Wolken
unter steinernem Gewölbe. Ein majestätisches, aber trauriges Reich…
Eiskalt lief es Ann über den Rücken.
„Stell dir nur vor”, sagte sie leise zu Tim, „wie viele Geschlechter hier ihr Leben
verbracht haben, ohne auch nur einmal das Licht der Sonne zu sehen… Die Armen!”
Still und leer lag das Land vor ihnen. Aus weiter Ferne drang der gedämpfte Lärm einer
Fabrik, in der Metalle bearbeitet wurden.
Die Maultiere rasten über eine ausgefahrene Straße dahin. Nach und nach begannen sich
die Kinder an die Umgebung zu gewöhnen. In der Ferne gewahrten sie die Stadt, in
deren Mitte sich der Palast der unterirdischen Könige erhob. Die in allen Farben des
Regenbogens gestrichenen Türme waren verblaßt, der
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