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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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»Von wem?«
    »Das darf ich dir nicht verraten.«
    Er beugt sich vor und kommt mir so nahe, dass ich seine schwarzen Pupillen sehen kann. Sie sind schmal wie die einer Katze. »Du wirst es mir sagen oder du wirst bluten.«
    Ich tue so, als würde ich das Essen in der Schüssel genau betrachten und über seine Worte nachdenken. »Es war der Conde«, erkläre ich schließlich. »Conde Treviño.« Jener Mann, der unsere Feinde mit Nahrungsmitteln versorgt. »Es gibt viele am Hof des Conde, die nicht glauben, dass euer Heer wirklich so groß ist. Er brauchte die Bestätigung, und deswegen hat er uns losgeschickt, um nachzuschauen.«
    Nachdenklich lehnt er sich wieder leicht zurück und trinkt. »Ich glaube dir nicht.«
    Gott, bitte lass das Gift bald wirken. »Warum nicht?« Ich probiere es mit einem verwirrten Blick.
    »Weil du keine Kriegerin bist. Der Conde ist ein großer Narr, aber selbst er würde kein Kind losschicken, das sich in die Hosen macht, um ein großes Heer zu beobachten.«
    Natürlich hat er recht, und mein Herz schlägt hart, als wollte es die Wahrheit herausschreien. Ich trage den Feuerstein, schreit es. Aber genau das darf der Animagus niemals erfahren.
    »Ich weiß nicht, wieso er mich geschickt hat«, sage ich und beuge in gespielter Scham den Kopf. Verwickle ihn weiter in ein Gespräch, rede ich mir selbst gut zu.

    »Du bist eine sehr schlechte Lügnerin.«
    Er bewegt sich so schnell, dass ich ihn kaum sehe. Nur den Schmerz spüre ich, wie er hell aus meinem Arm hervorbricht. Aus zwei parallel verlaufenden Schnitten quillt das Blut. Er schnippt mit zwei Fingerspitzen in meine Richtung, und ich sehe die scharfen Zacken, die unter seinen Fingernägeln stecken und von denen noch mein Blut tropft.
    Mein Puls pocht in meinem Arm, rotes Blut rinnt hinab, sickert auf den Boden. Die schwere Luft flimmert vor meinen Augen, und ich merke, dass ich schwanke.
    Er trinkt noch einen Schluck. »Nun, da die Erde dein Blut geschmeckt hat, werden wir vielleicht die Wahrheit herausbekommen.«
    Helle Tropfen fallen auf den festgestampften Boden. Wenn sie aufschlagen, breiten sie sich aus, versickern, färben sich braun. Der Feuerstein flammt wie Feuer auf, und mir ist, als müsste ich ersticken, als die Hitze mein Rückgrat emporschießt.
    »Die Erde liebt dein Blut.« Er singt die Worte beinahe. »Oh ja, deines ganz besonders, das liebt sie so sehr, so sehr. Mein Stein erwärmt sich bereits leicht.« Wieder hebt er den Becher an die lächelnden Lippen.
    Das Amulett an seiner Brust beginnt zu glühen, weiß-blau wie Sterne kurz vor dem Morgengrauen. Er will mich verbrennen. Er will die Wahrheit aus mir herauspressen, indem er meine Haut versengt, eine Stelle nach der anderen. Ich bin kein starker Mensch. Ich weiß, dass ich alles erzählen werde, nur damit der Schmerz aufhört.
    Er ist viel schneller als ich, also muss ich genau im richtigen Moment handeln. Während mein linker Unterarm weiter
die Erde mit meinem Lebensblut tränkt, greife ich mit dem rechten vorsichtig nach dem Messer, das an meinem Rücken scheuert. Zögernd halte ich es fest. Es könnte der Augenblick sein, in dem ich sterbe. Er könnte mich mit diesen verstärkten Krallen zerfetzen und mir die Kehle herausreißen, wenn er wollte.
    »Ich will nicht sterben«, sage ich vollkommen ehrlich.
    Er lächelt wie ein Vater, der seine Lieblingstochter vor sich hat, so wie mein Vater mit liebevoller Nachsicht meine Schwester anzusehen pflegte. »Du musst nichts weiter tun als …«
    Doch er bringt den Satz nicht zu Ende. Stattdessen sieht er mich ganz seltsam an und kneift seine eigentümlichen Augen zusammen. »Du kannst nicht vor mir verschwinden, Mädchen«, sagt er und verfällt unwillkürlich wieder in die Lengua Classica. »Es ist zu spät. Die Erde hat dich schon geschmeckt.«
    Ich halte die Augen weiter auf sein viel zu hübsches Gesicht gerichtet, aber gleichzeitig ziehe ich das Messer aus meiner Schärpe.
    »Ich bin so müde. So müde, müde, müde.« Sein Blick schweift durchs Zelt, ist aber nicht mehr imstande, zu fokussieren. Dann weiten sich seine Augen, als er begreift, was geschehen ist. »Was hast du mit mir gemacht?«
    Gern würde ich ihm sagen, dass er ein Narr ist. Und ihm meinen eigenen Feuerstein zeigen, echt und lebendig. Aber ich bleibe stumm.
    Er packt den eingesperrten Feuerstein und macht eine weit ausholende Bewegung in meine Richtung, aber das Schimmern verblasst bereits wieder. »Wieso verbrennt er
dich nicht?«, stößt er

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