Der Feuerstein
drückt. Zwar steigt damit die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich bei einer plötzlichen Drehbewegung des Oberkörpers selbst verletze, denn zwischen der Klinge und meiner Haut ist weiter nichts als mein abgetragenes Gewand. Aber ich weiß nicht, wo ich sie sonst hinstecken soll, um sie möglichst griffbereit zu haben.
Ich suche das Zelt nach Gegenständen ab, die ich zu Hilfe nehmen könnte. Eine Schlafrolle liegt vor einer Wand, dick mit gelblicher Wolle ausgestopft. Der Boden ist abgetreten und glatt, und hier gibt es nichts außer dem Steinaltar mit den schimmernden Kerzen, dem hölzernen Gestell für den Weinschlauch und einige graubraune Pflanzen, die offenbar unter einem Mangel an Sonnenlicht leiden. Ich sehe mir die Pflanzen genauer an. Die samtige Oberfläche kommt mir irgendwie vertraut vor, ebenso wie die verwitterten bräunlichen Beeren. Ich trete näher an den Altar, an dessen Sockel sie vor sich hindarben, und stelle dabei fest, dass das ganze Zelt über einem natürlichen Felsen errichtet wurde. Und tatsächlich
kenne ich diese Pflanzen. Die Farbe ist anders, weil sie hier keine Sonne und keine frische Luft bekommen, aber es handelt sich zweifelsohne um Duermakraut.
Sicher ist nicht mehr viel Zeit. Schnell zupfe ich ein paar Beeren in meine hohle Hand und muss leider feststellen, dass sie unglaublich trocken sind und sich viel zu leicht von den Zweigen lösen. Als der Stopfen des Weinschlauchs mit einem leisen Plopp aus der Öffnung gleitet, zucke ich fast zusammen. Dann lasse ich eine Beere hineinfallen, zögere, denke nach. Die anderen ritze ich mit dem Fingernagel kräftig an, bis das Innere zu sehen ist, bevor ich sie in den Schlauch werfe.
Vor dem Zelt ertönen Schritte, und ich verschwende dummerweise einen Augenblick, indem ich den Kopf zum Zelteingang wende. Er muss mich an genau demselben Punkt und in derselben Haltung vorfinden, in der ich mich befand, als er ging. Wo stand ich? Hatte ich die Arme an den Seiten oder leicht vor dem Körper? Mit einem Satz kehre ich an die Stelle zurück und drehe mich so, dass ich zum Altar sehe. Nein, nein, das stimmt nicht ganz, ich konnte die Wärme der Kerzen viel stärker fühlen. Da wird schon die Zelttür beiseitegeschlagen, und ich mache eine leichte Bewegung nach links. Die versteckte Klinge drückt gegen meinen Rücken, während ein Hauch kühler Luft mein Gesicht streift und die Kerzen wie von einer unsichtbaren, herumwedelnden Hand flackern lässt.
Der Animagus tritt ein und kichert leise. »Ach, du bist ja ein so gehorsames Ding. Du hast dich gar nicht bewegt. Nicht einmal, um dich wieder nass zu machen.« Er hat zwei Holzschüsseln mitgebracht, und trotz der gefährlichen Lage, in der
ich mich befinde, läuft mir bei dem Geruch von Wildbret mit Basilikum und Knoblauch das Wasser im Mund zusammen. »Du wirst feststellen, dass ich ein freundlicher Mensch bin. Siehst du? Ich habe dir etwas richtig Leckeres zu essen mitgebracht.« Er stellt eine der Schüsseln vor mir auf den Boden und lässt sich im Schneidersitz nieder. »Setz dich hin.«
Ich starre ihn an.
»Setz dich hin, nun komm schon.« Damit fuchtelt er durch die Luft und klopft neben sich.
Langsam folge ich seinen Gesten, behalte ihn aber sorgsam im Auge und achte vor allem auf hastige Bewegungen.
Er schiebt sich ein Stück Fleisch in den Mund. Seine Zähne beißen darauf herum, sodass Knorpel und faseriges Fleisch von seinen dicken Lippen hängen. Als er ruckartig den Kopf bewegt, schlägt Fleisch gegen seine Wange, dann schiebt er das Kinn vor und schluckt den Bissen herunter. Er macht sich nicht die Mühe zu kauen.
Ich blicke auf meine eigene Schüssel, aber mir ist der Appetit vergangen.
»Iss!«, befiehlt er und deutet auf die Schale.
Noch immer zögere ich. Was, wenn er mich vergiften will?
»Iss, iss, iss!«
Langsam stippe ich den Finger in die Sauce und hebe ihn an die Lippen. Nach einem vorsichtigen Probieren lecke ich ihn begierig ab.
»Da wir jetzt also miteinander essen …« Wieder steckt er sich ein Stück Fleisch in den Mund und schluckt es unzerkaut. »… wirst du mir von deinen Gefährten erzählen, von denen, die aus der Höhle geflohen sind, bevor wir dich entdeckt haben.«
Ich versuche, ihn so verständnislos wie möglich anzusehen.
»Dann werde ich mich einmal anders ausdrücken.« Und in der Lengua Plebeya fügt er hinzu: »Erzähle mir von deinen Gefährten.«
Erschreckt halte ich die Luft an.
Er lächelt. »Für mich ist es ekelhaft, deine Sprache
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