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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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Atemzug warte ich darauf, dass mein Herzklopfen nachlässt. Hinter mir gibt das Bettzeug ein lautes Knacken von sich, und ein glühender Funke steigt auf, segelt zu meinen Füßen herab, wo er sich in schwarzen Staub verwandelt.
    Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben. Denk nicht nach, Elisa, handle einfach. Mit einem Ruck schlage ich die Tür beiseite
und trete hinaus in die von Lagerfeuern erhellte Nacht. Der Zeltstoff fällt hinter mir wieder zu und verhindert, dass der Brand, der sich nun schnell ausbreitet, von außen bemerkt wird. Schnellen Schrittes setze ich meine Beine genau so, wie Humberto es mir beigebracht hat; das ist die eleganteste Art zu gehen, zu der ich fähig bin, und ich hoffe, dass das genügt. Einige Inviernos heben die Köpfe, als ich vorübergehe, aber ich ignoriere sie und schreite energisch aus. Dabei fühle ich ihre wilden Augen in meinem Rücken. Der Feuerstein wird kalt.
    »Herr«, sagt jemand und neigt unterwürfig den Kopf. Ich nicke knapp, die Kapuze unter dem Kinn zusammengebunden, und gehe weiter. Es muss doch auffallen, dass ich nicht schlank bin. Und nicht elegant.
    Ich bahne mir den Weg zwischen den Lagerfeuern hindurch, an aufgeschlagenen Schlafstätten vorbei, der schützenden Schwärze der Berge entgegen, und erwarte jeden Augenblick, einen Warnruf zu hören. Fast habe ich es geschafft.
    Da lenkt etwas Seltsames meine Aufmerksamkeit auf sich, auf meiner linken Seite. Etwas, das dort nicht hingehört. Ganz leicht drehe ich den Kopf. Es ist ein Mann. Er ist nicht in Felle gehüllt, sondern trägt Gewänder nach Art des Wüstenvolkes. Sein Haar ist schwarz und nicht verfilzt, seine Haut dunkel. Mit den Fingern schiebt er das Essen in seiner Schüssel zusammen, ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber allein die Bedeutung, die ich seiner Anwesenheit hier zuschreiben muss, sorgt für ein brennendes Gefühl in meiner Brust. Einer aus Joya, der mit dem Feind zusammen isst. Ich kann keine Fesseln oder Ketten entdecken. Und es ist auch kein Animagus in der Nähe, der ihn in eine Zauberstarre
versetzt hätte. Ein anderer Mann, ein blasser Invierno mit schlammfarbenen Haaren, klopft ihm auf den Rücken, und der Wüstenbewohner hebt den Kopf und lächelt. Meine Beine werden wie Wasser, und ein Schluchzer dringt aus meiner Kehle.
    Es ist Belén.

22

    W ir wurden nicht entdeckt. Belén hat ihnen verraten, wo wir zu finden waren. Die Worte des Animagus fallen mir wieder ein: »Die drei, die entkommen sind …« Und ich hatte mir Sorgen gemacht, einer von uns sei gefangen genommen oder getötet worden.
    Die Hand, mit der ich das Messer umklammert halte, zittert vor Wut. Wenn ich heute Nacht jemanden töte, dann sollte es Belén sein. Vielleicht könnte ich es in meinem Aufzug sogar wagen, direkt auf ihn zuzugehen.
    Aber diese Idee verwerfe ich sofort wieder. Er würde mich erkennen, natürlich würde er das, und dann wäre meine Chance zur Flucht vertan. Und es ist wichtiger, dass ich die Dinge, die ich erfahren habe, weitergeben kann. Den Luxus der Rache kann ich mir nicht leisten.
    »Herr?«, sagt jemand neben mir.
    Ich habe zu lange gezögert. Vielleicht hat auch jemand mein überraschtes Aufschluchzen gehört. Mit noch immer zitternden Händen wende ich mich von dem Sprecher ab und hoffe, dass er diese Reaktion der typischen Arroganz eines Animagus zuschreibt.

    Noch ein paar Schritte, bevor mich die Dunkelheit umfängt. Ich werde mich den Steilhang hinauftasten müssen, aber nachdem ich es geschafft habe, mit einem Speer an der Kehle hinabzuklettern, bin ich zuversichtlich, dass mir der Aufstieg gelingen wird. Er muss. Das Gewand muss ich vorher ablegen, denn es würde viel zu hell leuchten. Vielleicht sollte ich zur Höhle zurückkehren. Sehnsüchtig denke ich an meinen Rucksack mit dem Wasser und den Nahrungsmitteln darin. Aber die Höhle wird vermutlich bewacht, nun, da ihre Lage bekannt ist, und ich habe in der Dunkelheit ohnehin keine Möglichkeit, sie zu finden. Ich werde ohne sie auskommen müssen.
    Ruhigen Schrittes verlasse ich den Feuerschein. Vor mir ragt die Steilwand auf; hier unten ist der Anstieg noch moderat, aber schon ein kleines Stück weiter oben verliert er sich fast lotrecht in der Dunkelheit. Ich streife einen Wacholderbusch, fühle seine raschelnden Wedel über meine Wange streichen und rieche sein würziges Harz. Er kommt mir wie gerufen als Deckung, um dahinter das Gewand abzustreifen.
    Dann sind Rufe im Tal zu hören, laut und aufgeregt. Vorsichtig spähe ich durch

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