Der Feuerstein
beiden tauschen einen Blick, dann kommt sie zu mir, und unvermittelt fällt mir auf, dass sie sich das Haar wieder kurz geschnitten hat. Ihre Kiefermuskeln zucken, ihre Augen werden groß. Dann beugt sie sich vor, und kurz erwarte ich beinahe, dass sie mich umarmen wird, aber dann gibt sie mir einen Klaps auf die Schulter und grinst. »Ich hätte nicht gedacht, dass du es schaffen würdest, zurückzukommen.«
»Ich auch nicht«, erwidere ich mit einem Seufzer.
»Sie hat einen Animagus getötet«, verkündet Humberto.
Alle verstummen und starren mich mit großen Augen an.
»Na ja, das wissen wir nicht genau«, protestiere ich und verlagere unbehaglich mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Seine Leiche habe ich schließlich nicht gesehen.«
»Aber du hast ihm die Duermabeeren verabreicht und dann sein Zelt angezündet.«
Ich zucke mit den Schultern.
Cosmé sieht mir prüfend ins Gesicht. »Das glaube ich dir nicht.«
»Können wir später darüber sprechen? Ich brauche als Erstes ein Bad. Und etwas zu essen. Irgendetwas anderes als Dörrfleisch oder Datteln.«
Aber sie lässt nicht locker. »Lügen machen aus dir auch keine Heldin.«
Der Funke Zorn in meinem Bauch verglimmt zu Traurigkeit und Erschöpfung. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, also wende ich mich ab und versuche, nur ans Baden zu denken. Aber dann fällt mir etwas ein, und ich halte noch einmal inne.
»Cosmé«, sage ich über meine Schulter hinweg. »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.« Damit fasse ich in meine Schärpe, ziehe den weißblonden Zopf des Animagus hervor und werfe ihn ihr vor die Füße. »Weil du so eine gute Freundin bist.«
Als ich zur Höhle hinübergehe, fühle ich ihren Blick, wie er sich in meinen Rücken bohrt.
Die Geschichte von meiner Flucht hat sich schon herumgesprochen, als ich mit meinem Bad fertig bin. Alle klopfen
mir auf den Rücken, stellen Fragen, wollen gratulieren. Und jeder hat selbst eine Geschichte zu erzählen. Meine Malficio waren während unserer Abwesenheit sehr fleißig.
Am Abend sitzt Alentín im Schneidersitz neben mir im Sand unserer halb überdachten Höhle, während wir auf das Essen warten. Er berichtet mir von einer Gruppe aus fünf älteren Jungen, die auf der Jagd zufällig ungesehen auf Kundschafter des Feindes stießen. Sie folgten den Inviernos einen Tag lang und warteten auf die richtige Gelegenheit; dann, am frühen Morgen, griffen sie mit Pfeil und Bogen von einer Anhöhe aus an. Die Kundschafter waren ihnen zahlenmäßig überlegen, gut und gern fünfzehn erwachsene Männer, und von daher gaben sich unsere Jäger damit zufrieden, je einen zu töten und sich dann wieder zurückzuziehen. Zwei Tage später taten sie dasselbe noch einmal. Die übrigen ließen sie laufen, damit diese den anderen von dem Angriff berichten konnten. Seitdem lautet der allgemeine Schlachtruf des Dorfes: »Jeder tötet einen Mann!«
»Es ist, wie Ihr gesagt habt«, schließt Alentín. »Wir stechen kurz zu, aber wir überleben und tun es wieder.«
»Jeder tötet einen Mann«, wiederhole ich. »Das ist perfekt.« Dennoch muss ich mein Unbehagen niederkämpfen, wenn ich daran denke, dass wir hier Kinder, die jünger sind als ich, zum Töten aufstacheln.
»Eine weitere Gruppe haben wir im Nordosten entdeckt. Wahrscheinlich Boten zwischen beiden Heeren. Sie lagerten an einem Bach. Ein Mädchen hat eine große Portion Duermapulver oberhalb des Lagers der Inviernos ins Wasser geschüttet. Die eine Hälfte wurde ohnmächtig, die andere brach in Panik aus.« Seine Züge werden hart, als er hinzufügt:
»Wir haben sie im Schlaf niedergemetzelt, ihre Kleider und Waffen genommen und die Leichen verbrannt.« Dann wendet er den Blick ab.
»Das habt ihr gut gemacht.« Aber mein Magen rebelliert.
»Diese Idee, mit möglichst geringen Verlusten möglichst großen Schaden anzurichten und den Feind zu terrorisieren – sie ist gut, die beste, aber dennoch tut sie mir im Herzen weh.« Er sieht zu Boden und zeichnet mit der Fingerspitze Spiralen in den Sand. »Ich hoffe nur, dass Seine Majestät, mögen die Minnesänger epische Balladen auf seinen ruhmreichen Namen verfassen, das tun wird, was Ihr sagt, und dieses Land tatsächlich seinem Volk übereignet.«
»Ich werde tun, was ich kann«, flüstere ich.
»Das weiß ich.«
»Vater, ich muss Euch etwas zeigen.« Erst prüfe ich, dass uns auch niemand zusieht, dann ziehe ich das Amulett des Animagus unter meinem wollenen Oberkleid hervor. Ich
Weitere Kostenlose Bücher