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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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das leiseste Anzeichen für einen Angriff gibt.«
    Der Plan ist so gut, wie es in dieser Lage möglich ist. Ich wende meine volle Aufmerksamkeit meinem Teller zu.
     
    In den nächsten Wochen arbeiten wir alle hart, denn schließlich wissen wir nicht, wie viel Zeit uns bleibt, bevor Inviernes Vormarsch beginnt. Unsere »Gerüchtekocher« kehren aus den anderen Dörfern zurück und wissen zu berichten, dass die Malficio in aller Munde sind. Einige bringen zudem vertrauenswürdige Freunde und Verwandte mit. Ein Dorf in der Nähe ist von den Animagi bis auf die Grundmauern niedergebrannt
worden, und wir schwärmen aus, um die Überlebenden einzusammeln. Dadurch wächst unsere Zahl auf mehr als achtzig, und das beruhigt mich vor allem deswegen, weil sich jetzt mehr Erwachsene in unseren Reihen befinden.
    Dann geschieht etwas Unerwartetes: Wir erfahren von Angriffen auf feindliche Trupps, an denen wir keinen Anteil hatten. Andere Dörfer, andere verborgene Lager von Flüchtlingen haben unsere Strategie übernommen. Inviernes Heer wird nun in seiner ganzen furchterregenden Breite immer wieder gestört und beeinträchtigt von kleinen Widerstandsnestern entschlossener Kämpfer, die ausschwärmen, zuschlagen und sich dann zurückziehen, um wenig später erneut anzugreifen.
    Aber kein Zeichen von Belén. Wie Humberto mir irgendwann anvertraut hat, hatten Belén und Cosmé einander versprochen zu heiraten, falls sie den Krieg überleben. Meine ehemalige Zofe ist noch distanzierter als zuvor, und sie tut mir aufrichtig leid.
    Eines Tages dringt ein Ruf von unseren Wachleuten ins Dorf, und wenig später schleppt einer der Unseren einen Gefangenen mit verbundenen Augen zu uns. Es handelt sich um einen jüngeren Mann von zierlicher Statur, der nach der Art der Wüstenbewohner gekleidet ist, wie ich sie inzwischen gut kenne, aber bei näherem Hinsehen bemerke ich, dass der Stoff von einem besonders leuchtenden Weiß ist und auch ungewöhnlich fein gewebt, und die Schärpe ist mit Goldfaden bestickt. Der Mann behauptet, er habe eine Nachricht für den Anführer der Malficio.
    Wir schleppen ihn ein gutes Stück in die Höhle hinein, an eine Stelle, von der aus er nichts mehr vom Dorf und der
Umgebung sehen kann. Ein kleines Grüppchen Neugieriger hat sich um uns geschart und verstellt unserem Gefangenen zudem den Fluchtweg. Während Jacián und der Wachposten ihn an den Schultern festhalten, reiße ich ihm die Augenbinde herunter.
    »Du hast eine Nachricht für uns?«, frage ich. Eine gefährliche Schärfe schwingt in meiner Stimme mit, geboren aus Verantwortungsgefühl und Besorgnis, eine Stimme, von der ich nicht weiß, ob sie mir gefällt.
    »Ich soll sie aber nur an den Anführer der Malficio übergeben«, sagt er, und es beeindruckt mich, dass er mir dabei offen ins Gesicht sieht und den Kopf hoch erhoben hält.
    »Du sprichst nicht mit dem Akzent des Wüstenvolkes«, sage ich.
    »Ich stamme nicht aus der Wüste.«
    »Wie bist du hierhergelangt?«
    Jetzt scheint er ein wenig zu schrumpfen, und das Gefühl äußerster Erschöpfung, das er offenbar gerade so unterdrücken kann, kann ich gut nachempfinden. »Ich bin seit fast drei Wochen unterwegs und habe überall nach den Malficio gefragt. In den Dörfern hörte ich, dass ich mich weiter nach Süden wenden sollte, hin zum Wüstenrand. Bitte sagt mir, dass ich endlich am Ziel bin. Ich dachte jetzt, wegen der Augenbinde …«
    »Du hast die Malficio erreicht.«
    »Oh, Gott sei Dank. Seid Ihr ihre Anführerin?« Verzweiflung liegt in seinem Blick.
    »Ja, das bin ich.«
    Jacián gibt einen warnenden Laut von sich, als der Bote unter seine Schärpe greift. »Das ist keine Waffe«, sagt der
Mann und lächelt unsicher. Er zieht ein platt gedrücktes Ledersäckchen hervor und öffnet die Schnüre. Dann holt er eine Rolle Pergament heraus, die, obwohl ebenfalls zerdrückt, noch immer mit einem Tropfen rotem Wachs versiegelt ist.
    Die Leute um mich herum ziehen beim Anblick des Siegels die Luft ein: Sie erkennen es sofort. Meine Finger zittern, als ich mit dem Daumennagel unter das Wachs fahre und das Pergament ausrolle. Ich lese die Botschaft. Dann lese ich sie noch einmal, um mich zu vergewissern. Mein Herz klopft, als ich meinen Blick wieder hebe.
    »Es ist von Conde Treviño«, sage ich den anderen. Von dem Verräter. Condesa Ariñas Vater. »Er möchte mit uns über ein Bündnis sprechen.«

24

    D as ist eine Falle«, knurrt Humberto und blickt dabei auf den festgestampften

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