Der Feuerstein
Boden.
»Das denke ich auch«, pflichtet Jacián ihm bei.
Wir haben uns mit Cosmé und Vater Alentín in meiner Lehmhütte versammelt, um über das geheimnisvolle Angebot des Conde zu beraten. Mara hat heute Abend mein Lieblingsessen gekocht – gegrillte, dünn geschnittene Lammhaxen, die in einer Panade aus Brot, Zwiebeln, Knoblauch und gemahlenen Kiefernzapfen gewälzt wurden. Ich esse ganz langsam.
Vater Alentín nickt. »Der Conde hat sich als Verräter erwiesen«, sagt er. »Er gibt die Früchte der Arbeit seines Volkes in die Hände von Invierne. Er weigert sich, die Dörfer zu verteidigen. Er könnte dem Feind versprochen haben, Euch auszuliefern.«
»Wieso?«, frage ich. »Was könnte er damit gewinnen?«
»Wer weiß?« Humberto hebt die Hände. »Vielleicht, dass man ihm vergibt. Vielleicht hat man ihm auch einen Platz in der neuen Regierung zugesagt.«
Nachdenklich kneife ich die Augen ein wenig zusammen.
»Aber es könnte doch sein, ganz vielleicht, dass er wirklich über ein Bündnis mit uns reden möchte.« Als ich mich um Bestätigung heischend umsehe, ist Cosmé die Einzige, die meinen Blick nicht erwidert.
In Humbertos Gesicht zuckt ein Muskel. »Elisa, bitte geh nicht.«
»Wenn aber doch die Möglichkeit besteht, dass der Conde tatsächlich bereit wäre, uns zu helfen – meinst du nicht, es wäre dann das Risiko wert?« Davon abgesehen würde ich gern noch aus anderen Gründen nach Basajuan gehen. In einer so großen Stadt gäbe es sicherlich Nachrichten aus Brisadulce, und ich würde etwas über Alejandro erfahren; vielleicht ist sogar eine Antwort von Ximena angekommen. Aber das behalte ich lieber für mich.
»Der Conde glaubt, dass er das Richtige tut«, flüstert Cosmé. Sie hat fast den ganzen Abend geschwiegen. »Er glaubt, dass er das Leben seiner Leute rettet, indem er mit dem Feind paktiert.« Im Kerzenlicht haben ihre Augen etwas seltsam Ausdrucksloses. Wir sehen sie an, aber ihre zarten Züge bleiben wie erstarrt.
Humberto umfasst die Hand seiner Schwester mit seiner eigenen. Ein Anflug von Neid zuckt durch meine Brust und hinterlässt ein Gefühl der Leere. »Cosmé«, sagt Humberto sanft, »würde der Conde Elisa verraten, wenn er überzeugt wäre, damit sein Volk retten zu können?«
»Auf alle Fälle.«
Jacián wippt in der Hocke sanft hin und her und seufzt. »Es macht mir Sorgen, dass uns sein Bote so leicht gefunden hat.«
»Er hat aber gesagt, er sei nur einer von vielen, die ausgesandt
worden seien«, erinnert Alentín. »Vielleicht hatte er nur mehr Glück als die anderen.«
»Oder es hat ihm jemand gesagt, wo wir zu finden sind«, entgegnet Jacián.
»Wen meinst du mit jemand? «, fragt Cosmé, deren Stimme dunkel und schneidend klingt.
Jacián lässt sich von ihr nicht einschüchtern. »Ich meine Belén. Er ist immer noch da draußen. Wahrscheinlich hat er dem Conde alles über uns verraten. Zwei Verräter, die an einem Strang ziehen.«
»Belén würde niemals …«
»Das hat er schon.«
Sie starren sich eine Weile an. Ich will mir gar nicht vorstellen, was in ihnen vorgehen mag. Zwar hat Beléns Verrat beinahe zu meinem Tod geführt, aber ich habe nicht als Kind mit ihm gespielt. Oder beabsichtigt, ihn zu heiraten. Zum hundertsten Mal wünsche ich mir, ich hätte mich geirrt; ich lege meine Finger auf den Feuerstein und bete, dass ich einer Täuschung aufgesessen bin und dass Belén, wo immer er auch sein mag, sich seinen Freunden und unserer Sache gegenüber loyal verhalten hat.
Vater Alentín bricht das angespannte Schweigen. »Wir müssen mehr werden. So, wie die Dinge jetzt liegen, können wir uns nur einem Heer widmen. Um wirklich Erfolg zu haben, müssen wir aber an beiden Fronten gefürchtet sein.«
»Meint Ihr, der Conde könnte uns helfen?«, frage ich ihn. »Wäre es möglich, dass er sich umstimmen lässt?«
Alentín reibt sich gedankenverloren den Armstumpf unterhalb der Schulter, dann schüttelt er den Kopf. »Ich weiß nicht, Elisa. Aber Seine Majestät, möge sein prächtiges
Schwert seine Feinde in Stücke schlagen, muss zwei geschwächten Heeren gegenüberstehen, wenn ihm ein Sieg gelingen soll.«
Ich kaue an einem Fleischröllchen und denke über seine Worte nach, während Cosmé und Jacián sich noch immer mit bösen Blicken bedenken.
Als mir plötzlich ein Einfall kommt, verschlucke ich mich fast an meinem letzten Bissen und muss husten. »Was, wenn wir …« Noch während ich kaue, hebe ich die Hand, um die anderen zum
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