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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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Sie sind ja nicht zufällig auf uns gestoßen. Sie haben uns nicht von unten gesehen. Stattdessen sind
sie direkt auf uns zugekommen. Sie wussten , wo wir uns befanden.«
    Er schweigt lange. Mein Magen knurrt. Dann: »Bist du sicher, dass es Belén war, den du gesehen hast? Absolut sicher?«
    »Absolut. Ich bin direkt an ihm vorübergegangen.«
    »Hat er dich gesehen?«
    »Vielleicht. Ich glaube aber nicht, dass er mich erkannt hat.«
    Er starrt neben mir ins Leere. »Belén«, murmelt er. »Warum würdest du uns das antun?«
    Sein verletzter Blick ist fast unerträglich. »Es tut mir so leid.«
    »Du hast recht. Wir müssen die anderen warnen.«
    »Vielleicht gibt es eine andere Erklärung. Vielleicht war er im Lager, weil er versucht hat, mich zu finden.«
    »Hm. Vielleicht.« Aber seine Stimme klingt nicht überzeugt. »Hier, iss die Suppe auf.«
    Gern nehme ich weitere Schlucke, bemerke jedoch ein sanftes Prickeln hinten in der Kehle und einen leichten Zimtgeschmack, als ich beinahe fertig bin. »Du hast Duermakraut ins Essen gemischt.«
    »Ja. Nur so viel, dass du heute Nacht beim Schlafen die Schmerzen nicht spürst. Morgen kannst du mir dann erzählen, was du im Heerlager Inviernes erlebt hast. Und dann werden wir uns überlegen, was zu tun ist.«
    Meine Augenlider werden schwer, und die Welt schluckt langsam meinen Körper. »Humberto. Ich bin so froh, dass du da bist.«
    »Ich auch, Prinzessin.«

     
    »Du meinst, du bist in seinen Kleidern aus diesem Zelt gegangen?« Unglauben schwingt in seiner Stimme mit, und Lachfältchen kräuseln sich in seinen Augenwinkeln.
    »Ja. Ich wünschte, ich hätte sein Gewand mitnehmen können, aber ich hatte Angst, dass es mich beim Hinaufklettern verraten würde.«
    »Du bist den Steilhang hinaufgestiegen? Im Dunkeln?«
    Ich strecke ihm meine Hand entgegen und zeige ihm den nassen, bräunlichen Verband, den ich um meinen Finger gewickelt habe. »Kann ich nicht empfehlen. Ich habe mir einen Fingernagel abgerissen. Oh, und außerdem …« Damit hebe ich den anderen Arm und pelle den Stoff ab. Die Schrammen von den Krallen des Animagus pochen noch immer, aber der Schmerz ist nicht so heftig wie der in meiner Brust, weswegen ich ihn beinahe vergessen hatte. Der Verband ist angetrocknet, und ich muss ihn mit einem Ruck von der Haut abziehen. »Ich fürchte, das hat sich entzündet.«
    Er hält mein Handgelenk fest und dreht den Unterarm ein wenig, sein Blick gleitet an den beiden nebeneinander verlaufenden Kratzern entlang. »Das ist nicht so schlimm«, sagt er. »Ich muss sie öffnen, den Eiter herausdrücken und sie dann ein oder zwei Tage austrocknen lassen.« Er runzelt leicht die Stirn. »Es wird wehtun. Aber die Haut darum herum sieht gesund aus. Wenn wir es jetzt machen, dann wird es gut heilen, denke ich.«
    Ich schlucke. »Dann tun wir’s am besten gleich.«
    Er hält sein Messer eine Weile über das Feuer, dann lässt er es abkühlen. Während er den Schnitt setzt, redet er unaufhörlich mit mir, um mich abzulenken, und ich bin überrascht, wie wenig schmerzhaft es tatsächlich ist. Im Grunde
fühle ich lediglich einen gewissen Druck, als würde er eine sehr eng anliegende Kleidungsschicht aufschneiden. Aber als er dann zudrückt, beginnen schwarze Punkte und Kreise hinter meinen Lidern zu tanzen. Ganz kurz sehe ich hin, nur einmal. Die Flüssigkeit, die aus der Wunde quillt, sieht zäh und grünlich aus und ist mit Blut vermischt. Ich wende den Kopf ab und beiße die Zähne zusammen, während Humberto meinen Arm auf ganzer Länge zusammenpresst. Als er ihn dann mit Eiswasser säubert, treten mir die Tränen in die Augen.
    Das Feuer flammt auf, als er den Verband auf die brennenden Zweige wirft. Einen kurzen Augenblick hängt der Geruch von verdorbenem Fleisch in der Luft. Ich liege ganz still und halte den Atem an.
    »Eigentlich solltest du noch Wochen warten, bevor wir weiterreisen«, überlegt Humberto laut. »Aber wir müssen so bald wie möglich wieder ins Dorf.«
    Humberto könnte ohne mich gehen, aber ich habe Angst, ihm das vorzuschlagen. Ich will nie wieder allein sein. Also frage ich stattdessen: »Was ist mit Cosmé und Jacián geschehen?«
    »Meine Schwester hat Jacián einige Stunden später aufgestöbert. Oder vielmehr, er uns. Er hatte das Lager beobachtet und gesehen, dass wir entdeckt worden waren.« Sein Gesicht wird hart. »Wir haben uns getrennt, damit man uns nicht erwischt. Ich weiß nicht, ob die beiden durchgekommen sind. Falls ja, dann sind

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