Der Feuerstein
getötet.« Meine Stimme ist viel zu flach, um über meine Gefühle hinwegzutäuschen. Ich hebe meinen Blick und suche in seinem Gesicht nach der ruhigen, sicheren Intelligenz, an die ich mich erinnere. Und tatsächlich sind seine Augen wie ein tiefer Strudel, als er über meine Worte sinniert und zu seinen eigenen Schlüssen kommt.
Wir gehen weiter. »Ximena und Nicandro haben Euch niemals aufgegeben«, sagt er leise.
Es ist nett von ihm, das Thema zu wechseln, aber als ich den Namen meiner Kinderfrau höre, fällt es mir noch schwerer, die Tränen zurückzuhalten. »Sie haben immer wieder beteuert, dass Ihr noch am Leben seid. Ximena war sich sicher, dass Ariña etwas mit Eurem Verschwinden zu tun haben würde.«
Oh, wie viele Fragen brennen mir auf der Zunge! Ich möchte alles über Ximena und Vater Nicandro und den kleinen Rosario erfahren. Auch über Alejandro. Aber wir haben das Gemach erreicht, in dem meine Gefährten eingeschlossen sind. Die Wachmänner sehen uns misstrauisch an, bis sie das Kronsiegel entdecken, das Hectors roten Mantel an der Schulter in Falten rafft. Sofort nehmen sie Haltung an,
als der Leibgardist des Königs sie auch schon anweist: »Auf Befehl Seiner Majestät, König Alejandro de Vega, sind diese Gefangenen sofort freizulassen!«
Die Wachmänner rempeln sich in ihrer Eile, seinen Worten nachzukommen, gegenseitig an. Die Tür öffnet sich. Die Anspannung auf den Gesichtern meiner Freunde weicht leiser Hoffnung, als sie sehen, dass Benito und ich wohlauf vor ihnen stehen.
Schnell mache ich alle miteinander bekannt. Sie begegnen sich gegenseitig mit größter Höflichkeit, obwohl ich in ihren Augen die offensichtlichen Fragen lesen kann, und obwohl Cosmé so aussieht, als wollte sie jeden Augenblick aus der Tür stürzen und fliehen. Immerhin hat sie mich entführt. Hector lächelt sie an. »Es ist schön, dich wiederzusehen, Cosmé«, sagt er.
Ihre Erleichterung ist offenkundig, und sie murmelt eine unverständliche Antwort.
Hector sieht sich in unserer kargen Behausung um, dann steckt er den Kopf durch die Tür und ruft in den Korridor hinein: »Seht euch nach angemessenen Räumlichkeiten im Gästeflügel um. Ich möchte, dass diese Leute hier möglichst nahe bei meinen eigenen Gemächern untergebracht werden.« Dann wendet er sich wieder an uns. »Sobald wir uns alle eingerichtet und erfrischt haben, treffen wir uns wieder. Wir müssen sehr viel besprechen und planen.«
Mich führt Hector selbst zu meiner Unterkunft. »Ich habe schon ein Zimmer für Euch ausgewählt«, sagt er.
Ich zucke nur mit den Schultern. Nachdem ich durch die Wüste gewandert bin, bin ich nicht mehr anspruchsvoll.
»Hector, vorhin, im Dienstzimmer des Conde, habt Ihr ihm gesagt, ich sei Alejandros Frau.«
»Ja.«
»Dann ist das kein Geheimnis mehr?«
»Der König hat eine offizielle Erklärung abgegeben. Nachdem die Zeit der Stürme vorüber war und wieder Händler aus Orovalle ins Land kamen, hatte er keine andere Wahl.«
Eigentlich sollte ich glücklich darüber sein, dass er unsere Heirat endlich anerkannt hat. Aber ich fühle nichts. Stattdessen frage ich mit leiser Stimme: »Und … wie geht es ihm?« Schließlich erscheint es angemessen, dass eine Frau sich nach dem Befinden ihres Mannes erkundigt.
Wir bleiben vor einer massiven Tür stehen. Hector betrachtet mich mit einem mitfühlenden Blick. »Es geht ihm gut, Elisa. Er ist damit beschäftigt, einen Krieg zu planen. Und er macht sich sicherlich große Sorgen um Euch. Aber es geht ihm gut.« Er klopft.
Ich starre ihn an und frage mich, wieso er an die Tür eines Zimmers klopft, das er für mich ausersehen hat, während ich doch neben ihm stehe.
Er lächelt. »Sie hat darauf bestanden, mich zu begleiten. Sie war so sicher, dass Ariña und ihr Vater etwas mit Eurem Verschwinden zu tun haben würden.«
Ich fange gerade erst an, seine Worte zu begreifen, als die Tür aufschwingt und Ximena vor mir steht.
Mein Herz verwandelt sich in eine warme, weiche Pfütze, als sie bei meinem Anblick einen kleinen Schrei ausstößt. Ihr graues Haar ist an den Schläfen weiß geworden, ihre Wangenknochen treten stärker hervor, und die Falten um
ihre Augen sind tiefer als früher. Ihre Finger zucken an ihre Lippen, und Tränen rinnen aus ihren Augen.
»Oh, Elisa«, haucht sie. »Oh, mein Himmel.« Sie schließt mich in ihre Arme und zieht mich ins Zimmer.
Ich hatte vergessen, wie es ist, so verwöhnt zu werden. Es ist ein fantastisches Gefühl,
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