Der Feuerstein
nicht herausfinden, welches Amulett ich nun um den Hals trage oder dass ich weitere Feuersteine in einer Topfpflanze in Brisadulce versteckt habe.
Die Verantwortung für Basajuan übertragen wir Cosmé; Jacián und ein großer Teil der Bediensteten Lord Hectors werden sie dabei unterstützen. Zunächst einmal soll sie versuchen, so viele Menschen wie möglich zu evakuieren, und dann die Truppen des Conde nutzen, um das nördliche Heer Inviernes immer wieder zu stören, wenn es gegen die Küstendörfer marschiert. Carlo wird zu den Malficio zurückkehren und ihnen berichten, was vorgefallen ist.
Ich möchte eine Erinnerung an das Leben und den Lebenszweck, den ich mir geschaffen habe. Und daher erklärt sich Mara bereit, die Stelle als Zofe zu besetzen, die seit Aneaxis Tod frei geblieben ist. Benito beschließt ebenfalls, uns zu begleiten, nachdem Hector ihm eine Stelle in der Leibgarde versprochen hat.
Am nächsten Tag brechen wir frühmorgens auf, als sich das erste graue Tageslicht ankündigt. Trotz der frühen Stunde kommen alle zu den Ställen, um sich von uns zu verabschieden. Die Trennung von meinen Wüstengefährten fühlt sich an, als würde ich einen Körperteil verlieren. Wie verabschiedet man sich von einem Arm? Gar nicht, vermutlich. Man tut so, als ob es nicht passieren würde. Ich stähle mich gegen das Gefühl, verwandle mein Herz in einen Stein. Meine Freunde machen einen leicht enttäuschten Eindruck, als sie sehen, dass ich kein großes Aufhebens um die Sache mache. Vor allem Carlo sieht mich sehr verletzt an, mit schwimmenden, suchenden Augen. Ich umklammere kurz seine Hand und wende mich dann ab.
Jemand greift nach mir, dreht mich um. Es ist Cosmé. Dann umarmt sie mich gerade lange genug, um zu sagen: »Sei nicht so kalt, Elisa. Sei nicht wie ich.«
Ich stolpere einen Schritt zurück. »Aber … es hilft.«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Man glaubt das, aber das stimmt nicht.«
Zwar bin ich skeptisch, aber ich nicke.
Dann hilft mir Hector in meine Kutsche. Ximena und Mara sitzen bereits darin, still und stoisch, die Hände im Schoß gefaltet. Jemand brüllt einen Befehl, die Zügel knallen, dann fahren wir holpernd los.
Aber Cosmés Worte gehen mir noch im Kopf herum, und ich ziehe den Vorhang beiseite und winke ein letztes Mal.
Heere bewegen sich langsam, sagt Hector. Trotzdem teilen wir alle den unausgesprochenen Wunsch, möglichst schnell voranzukommen. Wir müssen Brisadulce unbedingt vor den Inviernos erreichen.
Mit unseren Kutschen und Pferden können wir die Wüste nicht durchqueren, daher ziehen wir an ihrem nördlichen Rand entlang, versuchen aber, möglichst viel Abstand zur Dschungelgrenze der Hohen Sperre zu halten, um keine Angriffe der Perditos zu riskieren. Die Kutsche schwankt und schlingert bei unserer halsbrecherischen Geschwindigkeit, weshalb ich einen großen Teil des Tages neben dem Gefährt herlaufe. Inzwischen ist mir unbegreiflich, dass ich früher lieber in einer schaukelnden Kutsche gesessen habe, als mich auf meinen eigenen Beinen fortzubewegen.
Glücklicherweise versucht mich niemand zu überreden, auf ein Pferd zu steigen.
Wir halten nicht einmal an, als wir die Straße kreuzen, die uns zur Hohen Sperre und schließlich ins Land meiner Geburt bringen würde. Als wir die Stelle erreichen, wo Aneaxi
an der Entzündung starb, hat Ximena meine neue Zofe schon voll und ganz in unserer seltsamen Familie aufgenommen. Unwillkürlich lächele ich, wenn ich die beiden miteinander lachen sehe, die eine grauhaarig und untersetzt, die andere jung und vernarbt und hochgewachsen wie eine Palme. Dass sie sich so leicht miteinander angefreundet haben, macht mich glücklich. Während sie meine Haare kämmen oder wir zusammen in der Kutsche sitzen, gelingt es mir ganz allmählich auch, ihnen von Humberto zu erzählen. Nie zu viel auf einmal; das ganze Bild von ihm ist mir immer noch zu lieb und teuer. Aber keine der beiden drängt mich, und nach und nach leckt die Geschichte aus mir heraus.
Die Nächte bringen schreckliche Träume voller eisäugiger Hexenmeister und glühender Amulette. Manchmal fliehe ich vor klauenbewehrten Händen, die nach meinem Nabel greifen. Andere Male suche ich verzweifelt nach etwas, weil ich weiß, dass jeder, an dem mir etwas liegt, sterben wird, wenn ich es nicht finde. Beim Aufwachen weiß ich dann nicht mehr, wonach ich gesucht habe. Aber in diesen ersten wachen Momenten weiß ich, dass es Dinge gibt, die ich noch entschlüsseln
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