Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
Vom Netzwerk:
»Hoheit« genannt hat.
    Ich mache einen Schritt zurück, die Dolche noch immer fest in Händen, und wende mich meinem Retter zu.
    »Hallo, Elisa«, sagt Lord Hector, der Treviño unbeirrbar im Blick behält. »Schon seit Jahren habe ich nach einem guten Grund gesucht, ein Schwert an die Kehle Seiner Durchlaucht zu setzen, von daher stehe ich in Eurer Schuld.«
    Die Wut, die Trauer, die Angst fließen aus mir heraus, bis mein Körper sich vollkommen kraftlos anfühlt. Dann stolpere ich Lord Hector entgegen und schlinge meine Arme um ihn.
    »Passt auf die Dolche auf, Hoheit«, sagt er und tätschelt mir mit der freien Hand ungelenk den Rücken.
    »Wieso tut Ihr das?«, ruft der Conde aus. »Dieses Mädchen ist eine Verräterin!«
    Lord Hectors Hand fährt nun über meinen Zopf, der sich allmählich auflöst. Seine Finger halten inne, als sie die allmählich getrockneten blutverklebten Stellen bemerken. »Elisa ist keine Verräterin«, sagt er. »Tatsächlich glaube ich,
dass Seine Majestät sehr ungehalten sein wird, wenn er erfährt, dass Ihr seine Frau gefangen gehalten habt.«
    Erst da merke ich, dass ich mich eigentlich fragen sollte, wieso der Leibwächter meines Mannes hier ist, so weit von Brisadulce entfernt.
     
    Am liebsten würde ich Conde Treviño in seinen eigenen Kerker werfen lassen. Lord Hector erklärt mir jedoch geduldig, dass es besser wäre, ihn unter Hausarrest zu stellen und ihm zu verbieten, seine Gemächer zu verlassen. »Zwar handeln wir im Auftrag Seiner Majestät, aber wir sind immer noch darauf angewiesen, dass Treviños Volk mit uns an einem Strang zieht.«
    »Dann werden wir ihn mit Respekt behandeln«, pflichtet ihm Benito sofort bei. Reine Heldenverehrung liegt in dem Blick, mit dem er Lord Hector bedenkt.
    Sie haben recht, das weiß ich. Aber bevor sich die Tür vor dem wutentbrannten Gesicht des Conde schließt, überkommt mich trotzdem das überwältigende Bedürfnis, ihn zu erstechen. Ich begnüge mich damit, ihm das ungeschlachte Amulett vom Hals zu reißen.
    Hector wirft mir einen verdutzten Blick zu. »Dieser Anhänger«, erkläre ich, »vermittelt mir irgendwie ein vertrautes Gefühl. Mein Feuerstein erwärmt sich jedes Mal, wenn ich ihn ansehe.«
    »Er ist hässlich«, sagt Benito.
    »Ja. Ich finde es seltsam, dass unser so auf die neueste Mode bedachter Conde so etwas trägt.« Das Amulett liegt schwer in meiner Hand, und die vier Muscheln fühlen sich rau und unfertig an. Mein Blut rauscht.

    Lord Hector gibt den Wachleuten Befehle. Dann nimmt er mich am Arm, und Benito geht hinter uns her. Unwillkürlich muss ich an den Tag denken, vor so langer Zeit, als Lord Hector Ximena und mich durch den Palast meines frisch angetrauten Ehemannes geführt hat. »Hoheit, Ihr müsst mir genau erzählen, wie Ihr hierhergekommen seid«, drängt er mich. »Und was Euch dazu gebracht hat, dem Conde gegenüber so … kühn zu sein.« Es ist so lange her, dass wir das letzte Mal gesprochen haben, und ich werde mir nicht recht klar darüber, ob Bewunderung in seiner Stimme mitschwingt oder nicht.
    Zunächst zögere ich, denn ich möchte nicht, dass meine Gefährten für meine Entführung bestraft werden. Aber ich bin erfüllt von Trauer und Erschöpfung, und mir ist zudem klar, dass er ohnehin die Wahrheit herausfinden wird. Also erzähle ich ihm, wie ich verschleppt wurde, wie wir die Wüste durchquerten und ich schließlich entdeckte, dass der Krieg schon begonnen hat. Wie ich allmählich lernte, meinen Gefährten zu vertrauen und sie zu respektieren, wie ich Homers Afflatus studierte und aus verwundeten Flüchtlingen und Waisenkindern die Malficio machte. Seine Augen werden groß, als ich berichte, wie ich von den Inviernos gefangen genommen wurde. Und der Mund bleibt ihm offen stehen, als ich schließlich schildere, wie ich den Animagus tötete, sein Amulett stahl, über die Steilwand floh und den Feuerstein benutzte, um wieder sicheres Terrain zu erreichen. Und als ich schließlich dabei angekommen bin, welchen Plan wir gefasst hatten, um den verräterischen Tribut des Conde zu vergiften, bleibt er im Korridor wie angewurzelt stehen.

    »Das wart Ihr?«
    Konzentriert betrachte ich die geometrisch angeordneten Bodenfliesen.
    »Elisa?«
    »Das war ich«, räume ich mit einem Seufzer ein. »Wir hatten gehofft, Treviño auf diese Weise dazu zu zwingen, Truppen gegen die Inviernos auszusenden. Es hat allerdings nicht geklappt, und wir wurden gefangen genommen. Humb… einer meiner Freunde wurde

Weitere Kostenlose Bücher