Der Feuerstein
überhaupt nützen könnte. Da wolltest du mir den Stein noch selbst aus dem Nabel reißen. Weißt du noch?«
Sie hält den Atem an. Dann flüstert sie: »Humberto hat dich verteidigt. Schon vergessen? Lass ihn das nicht umsonst getan haben.«
Kurz verwandelt sich meine Trauer in eine trübe schwarze Wolke. Sie wird mich umfangen, mich mit sich ziehen. Mein Sichtfeld verdüstert sich.
»Elisa!«
Mit einem Ruck fahre ich zusammen, dann stehe ich vom Bett auf und gehe hin und her, denn so still dazusitzen ist gefährlich. Durch die Bewegung schmerzt mein verletzter Bauch noch mehr, und der Feuerstein fühlt sich schwerer und härter an denn je. Aber der Schmerz macht mir den Kopf frei. »Ich werde mich nicht aufgeben«, versichere ich den anderen.
»Was aber tun wir dann?«, fragt der schüchterne Bertín. Er
ist höchstens dreizehn und noch sehr schlaksig, mit Händen, die für seinen Körper viel zu groß erscheinen.
»Benito und ich werden uns morgen wie erwartet zum Conde bringen lassen.« Seltsam, dass ich früher so große Hemmungen hatte, einen Mann mit einem Messer anzugreifen. Jetzt erfüllt mich diese Vorstellung mit wilder Freude. »Morgen werde ich Treviño töten.«
Der Conde lässt uns ein mageres Frühstück aus dünnem Haferbrei und schwachem Wein bringen. Ich esse mit den anderen, denn ich weiß, dass ich meine Kraft brauchen werde. Doch kurz darauf erbreche ich schon wieder alles in den Abort.
Der Conde ruft uns früher zu sich als erwartet.
Als wir um Wasser gebeten haben, hat man uns tatsächlich drei Eimer gebracht. Einen davon haben wir benutzt, um das Blut aus meiner Weste und Hose zu waschen. Und so trage ich wieder meine lederne Reitkleidung, als die Wachen erscheinen, um mich und den vor Schreck starren Benito mitzunehmen. Ich sehe an meiner Weste herunter, als sie uns den Gang entlangschubsen. Feuchtes Leder fühlt sich grässlich an, muffig und undurchdringlich wie eine zweite Haut. Aber die Flecken, die jetzt braunschwarz geworden sind, erinnern mich an meine Absicht und stärken mich für das, was ich tun muss.
Der Conde ist bereits in seinem Schreibzimmer, als wir eintreten, und sitzt an dem überladenen Schreibtisch. Heute ist er ganz in Grün mit einer Borte aus goldfarbenem Samt gekleidet. Die Farben machen ihn blass, aber sein Haar glänzt so üppig schwarz wie zuvor. Und wieder hängt das auffällige
Amulett um seinen Hals. Mein Feuerstein reagiert darauf mit einem warmen Flimmern.
»Lady Elisa, habt Ihr Euren Freund zum Sterben hierhergebracht?«
Irgendwie muss ich dafür sorgen, dass er hinter dem Schreibtisch hervortritt und seine Deckung verlässt.
»Nein, natürlich nicht.« Ergeben lasse ich den Kopf hängen und blicke direkt auf einen Fleck im Teppich. Eine kleine Pfütze aus Ockerbraun markiert die Stelle, an der Humberto in meinen Armen starb.
»Hervorragend.« Er erhebt sich von seinem Stuhl. Mein Herz schlägt heftig. »Ich weiß, dass ich früh nach Euch geschickt habe, und ich möchte mich dafür entschuldigen. Ich halte gern mein Wort.«
Ich vermeide es, ihm in die Augen zu sehen, damit er nicht merkt, was in mir vorgeht. »Ich hatte mir bereits Sorgen gemacht, Ihr hättet es Euch vielleicht anders überlegt, Durchlaucht.«
»Was überlegt?«
»Dass Ihr meine Gefährten verschonen wollt, wenn ich Euch verrate, wo sich das Hauptquartier der Malficio befindet.«
Er tritt auf mich zu, ein väterliches Lächeln auf dem schönen Gesicht. »Wie ich schon sagte, ich halte gern mein Wort. Ich habe Euch so früh hierherbringen lassen, weil ich einen ganz besonderen Gast erwarte, und ich hoffe, unsere kleine Angelegenheit bis zu seinem Eintreffen erledigt zu haben. Ihr werdet mein Beweisstück sein, versteht Ihr? Der Beweis, dass ich tatsächlich Friedensverhandlungen eingegangen bin.« Sein Lächeln wird breiter, seine schwarzen Augen
funkeln vergnügt. »Ist es nicht Gottes Wille, dass alle Menschen in Frieden leben sollen? So steht es doch in der Scriptura Sancta!«
Also geschieht auch das schon wieder in dem Bemühen, Gott zu dienen. Ich erschauere und starre auf den Fleck zu meinen Füßen, um meine Gefühle besser verbergen zu können. Unwillkürlich frage ich mich, was sie wohl mit der Leiche gemacht haben. Tränen treten mir in die Augen, und ich lasse ihnen freien Lauf. Schließlich ist es nur von Vorteil, wenn ich so wirke, als sei ich völlig aus der Bahn geworfen. Schwach.
Conde Treviño tritt noch einen Schritt auf mich zu. »Und nun werdet
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