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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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zahllose Kaufleute auf der Heerstraße unterwegs sein sollten.
    »Es war eine riskante Entscheidung, über die Hohe Sperre zu reisen«, sage ich und gebe mir Mühe, keinen Vorwurf in meinem Ton mitschwingen zu lassen.
    »Ja, es war riskant. Aber wir haben diese Reise geheim gehalten. Ich habe keine Ahnung, wie sie davon erfahren konnten.«
    »Vielleicht war der Angriff reiner Zufall?«
    Er zuckt mit den Schultern.
    Aber mein Verstand ist über eines seiner Worte gestolpert. »Was meinst du damit, ihr habt es geheim gehalten?«
    »Das Volk von Brisadulce erwartet seinen König erst in einem Monat wieder zurück.«
    Seinen König. Geheim.
    Und seine Königin? Etwas an meinem Blick ernüchtert ihn.
    Ich hole tief Luft. »Ich werde nicht erwartet, oder?«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein. Die Leute wissen nicht, dass ich eine Ehefrau mit nach Hause bringe.«
     
    Die Straße wird ebener und unsere Reise dadurch ein wenig bequemer. Die Luft ist heißer, aber durch die stetige, gemächliche Brise leichter zu ertragen. Verschwommene braune Flecken stehen am Horizont, Sandstürme, wie Lord Hector mir erklärt, nachdem er gesehen hat, dass ich sie beobachte. In der Hurrikanzeit fegt der Wind vom Meer übers
Land, und die dadurch entstehenden Sandstürme können einem Menschen das Fleisch von den Knochen schleifen. Ich bin froh, dass wir nach Westen in Richtung See reisen, in sicherer Entfernung von den Dünen.
    Ich vermisse Ximena. Vielleicht hätte ich nicht nach dem Mann fragen sollen, den sie getötet hat. Jetzt fühle ich den Vorfall zwischen uns, groß und undurchdringlich und unausgesprochen. Sie ist so zupackend wie immer, hilft mir jeden Morgen beim Anziehen, flicht mir das Haar, schüttelt jeden Abend meine zerknitterten Röcke aus. Aber ihre Berührungen sind brüsk, ihre Augen distanziert und traurig. Oder vielleicht bilde ich mir das nur ein.
    Aneaxi wird schwächer. Lord Hector meint, dass ein Dschungelfieber sie gepackt hat, obwohl außer ihr niemand krank geworden ist. Ihre Haut, normalerweise ebenso dunkel wie meine, ist aschgrau. Wenn sie eindämmert, sind ihre Träume fiebrig und seltsam. Irgendetwas macht ihr Angst. Oft ruft sie meinen Namen, schreckt auf, und ich muss ihre schweißnasse Hand nehmen und ihr ins Ohr flüstern, damit sie sich wieder beruhigt. Wenn sie aufwacht, behauptet sie, sich nicht mehr an die Träume zu erinnern, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr das glauben kann.
    Zwei Tage, bevor wir Brisadulce erreichen, beginnt es in unserer Kutsche nach verdorbenem Fleisch zu riechen. Ich bin kein Wundarzt, und trotz meiner königlichen Erziehung verstehe ich nur sehr wenig von Heilkunst. Dennoch ist mir klar, dass Fieber nie und nimmer einen solchen Gestank verursacht.
    Ich nehme Ximena beiseite, als wir für eine kurze Mahlzeit aus Nüssen und getrockneten Mangostreifen anhalten.
    »Das ist doch kein Dschungelfieber, Ximena. Oder ein gebrochenes Bein. Wieso hat sie …«
    Ximena sieht auf meine Hand hinunter, und ich bemerke erst jetzt, dass ich ihren Arm viel zu fest umklammere und meine Finger tief in ihr Fleisch bohre.
    Verdrossen ziehe ich die Hand weg, aber dann sehe ich die Tränen in Ximenas Augen.
    »Was ist los, Ximena? Du hältst doch etwas vor mir verborgen.«
    Meine Kinderfrau nickt und schluckt. »Aneaxi hat sich schlimmer verletzt, als wir dachten. Sie hat nichts davon gesagt. Gar nichts.« Ihre Stimme wird zu einem wackligen Flüstern, und Angst senkt sich wie ein schwerer Stein auf meine Brust. Ich habe Ximena noch nie weinen sehen.
    »Schlimmer als ein gebrochenes Bein, willst du sagen.«
    »Es ist ihr anderes Bein, eine klaffende Wunde über ihrem Knöchel. Als wir sie weggeschleift haben …«
    Eine Wunde. Nur eine Wunde. Das kann doch nicht so ernst sein, oder?
    Ximena spricht weiter, aber über dem Rauschen in meinen Ohren kann ich sie kaum hören. Sie sagt etwas von einer Entzündung, und davon, dass es zu spät sei, ihr das Bein abzunehmen.
    Hastig renne ich zur Kutsche zurück. Aneaxi liegt ausgestreckt auf der Bank. Sie stöhnt im Fieber, selbst im Schlaf. Dann taste ich nach dem Bein, dem ungebrochenen. Verborgen unter ihren Röcken hat sie Leintücher um ihr Wadenbein geschlungen, und der Stoff ist durchweicht und bräunlich, als sei er voller Teeflecken. Als ich die Tücher abwickele, wird der Gestank unerträglich. Wie Fisch, der
zu lange in der Sonne gelegen hat, aber süßlicher, wie verfaulendes Obst. Aneaxi schlägt um sich, als ich Luft an die Wunde

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