Der Feuerstein
Alejandro die Absicht zu haben, meine Anwesenheit geheim zu halten.
Es fällt mir schwer, meine Hand in seiner zu belassen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ihm wirklich etwas an dieser Berührung liegt. Als wir den Palast betreten, die Korridore durchqueren und schließlich eine breite Treppe emporsteigen, schlägt mir mein Herz bis zum Hals – aus Erschöpfung, vielleicht auch wegen des Gefühls der Blamage. Ximena folgt dicht hinter mir. Ich habe die Belleza Guerra unzählige Male gelesen, und daher weiß ich, dass ich mir den Weg genau einprägen und meine Umgebung aufmerksam betrachten sollte. Aber es gelingt mir nicht, an etwas anderes zu denken als an die Erniedrigung, die mein Gesicht brennen lässt.
Vor einer Mahagonitür mit geschnitzten Weinranken und Blumen bleiben wir stehen. Alejandro öffnet sie, und wir treten in ein luftiges Gemach, das von Bienenwachskerzen erhellt wird. Ich habe keine Zeit, irgendwelche Einzelheiten wahrzunehmen, denn nun zieht Alejandro mich an sich und nimmt auch meine andere Hand.
»Du wirst eine Weile ein Geheimnis bleiben«, sagt er,
während Ximena sich an uns vorbei ins Zimmer drängt. Er sieht so aus wie in unserer Hochzeitsnacht, die Augen zimtbraun im Kerzenlicht. »Ich will noch nicht enthüllen, dass ich verheiratet bin. Damit muss ich warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
Er ist so um mich bemüht und wirbt um mein Verständnis. Dennoch bleibe ich stumm.
»Und es wäre auch am besten«, fährt er fort, »wenn du noch niemandem von dem Feuerstein erzählen würdest.«
Tapfer ziehe ich die Wangen ein und hole tief Luft. Ich will nicht vor ihm in Tränen ausbrechen.
»Elisa?«
Sosehr ich ihm auch helfen und ihn für mich einnehmen will, sosehr habe ich doch plötzlich das starke Bedürfnis zu spüren, dass ich noch immer mir selbst gehöre. Also versuche ich, so gut wie möglich Alodias abfälligen Blick zu kopieren, diesen Gesichtsausdruck, den sie sich für faule Köche und kleine Schwestern aufhebt. »Ich werde dir vertrauen, Alejandro. Zumindest im Augenblick. Weil meine Schwester mir sagte, dass ich das tun soll. Aber das ist der einzige Grund. Ich hoffe sehr, dass du mir noch einen weiteren geben wirst.«
Erschreckt verstumme ich, als er den Arm um mich schlingt und mich an sich zieht. »Danke«, raunt er in mein Haar. Dann lässt er mich los, nimmt meine Hand und führt sie sanft an seine Lippen.
Die Wärme seines Kusses lässt mich erbeben, aber als er mir eine gute Nacht wünscht, will es mir nicht gelingen, sein Lächeln zu erwidern.
Er zieht die Tür hinter sich zu. Ich wende mich dem Bett zu, einer hohen, breiten Schlafstatt mit durchsichtigen Vorhängen
und einem dreistufigen Tritt. Ximena hat bereits die Decken zurückgeschlagen. Sie sieht mich verständnisvoll an, denn natürlich ist ihr nichts von meinem Gespräch mit Alejandro entgangen. Nun kann ich es nicht länger unterdrücken. Schluchzer erschüttern meine Brust, meine Nase läuft, und ich möchte nur noch schlafen und nie wieder aufwachen.
Der Feuerstein ist eine eisige Faust in meinem Bauch, die gegen mein Rückgrat drückt und reibt. Ich bekomme keine Luft, meine Lungen sind vor Entsetzen erstarrt. Alejandro beugt sich über mich, er greift nach dem Stein. »Gib ihn mir!«, kreischt er. Ich versuche, rückwärts auf dem Bett vor ihm wegzukrabbeln wie ein Käfer, und drücke mich schließlich zusammengekauert an das Kopfteil. Alejandro rückt nach. Er hat die Augen eines Jägers, rot funkelnd und katzenartig. Die Art, wie er sich bewegt, wie er riecht – in ihm steckt ein Tier, das sich unter seiner Haut windet. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich den Dolch gepackt habe, aber er liegt kalt und hart in meiner Hand. Und dann steche und steche ich auf Alejandro ein, bis Blut über meinen Unterarm läuft und meine Handfläche von der Wucht des Zustoßens schmerzt.
Ich blinzele. Lady Aneaxi lächelt. »Vertrauen«, sagt sie und greift nach dem Feuerstein. Ihre Nägel kratzen an der Haut auf meinem Bauch, kratzen rund um den Stein. Feuriger Schmerz fährt durch mein Becken und zuckt die Beine hinunter. Sie krallt sich tiefer hinein und zieht. Es fühlt sich an, als ob mein Rückgrat durch den Nabel mit herausgezogen würde. Der Schmerz ist nicht zu ertragen. Es gelingt mir, Luft zu holen, hastig und flach, aber es genügt, um zu schreien. Aneaxi zieht sich erschreckt zurück.
Von ihren Fingerspitzen, angeschwollen und schwarz vor Entzündung, tropft es rot. Sie
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