Der Feuerstein
der Gedanke, dass eine Mandelglasur sehr gut zu dem milden Eiergeschmack passen würde. Vielleicht ist Alejandros Küchenmeister ja bereit, einige der etwas ausgefallenen Rezepte aus Orovalle auszuprobieren.
Dann erinnere ich mich an Ximena. Ariña hat sich nicht bemüßigt gefühlt, ihr auch einen Teller zu reichen. Also gebe ich ihr mit entschuldigendem Lächeln meinen. Sie zwinkert mir zu und nimmt sich eine kleine Quiche. Als ich den Teller zwischen uns stelle, werfen mir einige Leute seltsame Blicke zu. Ich frage mich, was ich falsch gemacht haben mag. Vielleicht
sind sie es nicht gewöhnt, dass man eine Dienerin mit Respekt behandelt. Oder vielleicht esse ich nicht anmutig genug für diese Herrschaften. Ich stopfe mir die nächste Pastete in den Mund und starre unverwandt zurück.
Plötzlich richtet sich die Aufmerksamkeit auf den Eingang. Der Vorhang wird beiseitegezogen, und Lord Hector betritt den Saal, gefolgt von Alejandro. Ich bin unglaublich erleichtert, die beiden zu sehen. Alle erheben und verneigen sich tief, während ich wie eine Närrin dasitze und nicht weiß, was ich tun soll. Verbeugt man sich als Ehefrau in Joya d’Arena vor dem eigenen Mann? Verbeugt sich eine Prinzessin vor dem König? Vor meinem Vater habe ich nur bei offiziellen Anlässen einen Knicks gemacht.
Mühsam komme ich auf die Beine, und mein Gesicht läuft rot an, als mir klar wird, dass mein feuchter Rock hinten an meinen Beinen klebt. Alejandro sieht das nicht, aber ich bin mir sicher, dass die Condesa Ariña meinen breiten Hintern ausführlich begutachtet. Ich wage nicht, den Stoff mit einer hastigen Bewegung von der Haut zu lösen.
Alejandro kommt auf mich zu und lächelt, als freute er sich ehrlich, mich zu sehen. Seine Haut glänzt frisch gewaschen, sein Haar fällt ihm in weichen schwarzen Wellen aus der Stirn. Mich fasziniert, wie es sich hinter seinen Ohren lockt und wie kräftig die Linie seines Kinns seine ansonsten eher zarten Züge einrahmt. Er legt mir die Hände auf die Schultern und beugt sich vor, um meine heiße Wange zu küssen.
»Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen, Hoheit?«, fragt er laut.
Hoheit. Der Blick der versammelten Frühstücksgäste lastet in schweigender Überraschung auf mir.
Er wendet sich nun den anderen Herrschaften zu. »Habt Ihr schon alle kennengelernt, Elisa?«
»Nur die Condesa Ariña, die sehr freundlich zu mir war.« Links von uns steht Lord Hector, dessen Schnurrbart bei meinen Worten kaum merklich zuckt.
Alejandro sieht über meinen Kopf hinweg zu der wunderschönen Dame. »Ja, davon bin ich überzeugt.« Sein Blick gleitet durch den Saal. »Ich möchte Euch Lucero-Elisa de Riqueza vorstellen, Prinzessin von Orovalle. Sie ist im Auftrag ihres Vaters, König Hitzedar, gekommen und wird eine Weile bei uns bleiben.«
Beinahe muss ich lachen, als all die Leute, die mich vorher so gleichgültig betrachtet haben, sich nun plötzlich vor mir verbeugen. Also darf ich zumindest eine Prinzessin von Orovalle sein, so viel bleibt mir. Aber nun, da er meinen Namen bekannt gegeben hat, weiß doch sicher jeder, dass ich den Feuerstein trage. In Orovalle kennt jeder den Namen der Trägerin. Vielleicht ist das in Joya d’Arena anders. Vor vielen Jahrhunderten, als meine Vorfahren Joya verließen, um in unserem kleinen Tal zu siedeln, blieben hier nur wenige zurück, die noch dem Weg Gottes folgten.
Alejandro bedeutet mir, mich zu setzen. »Bitte. Ich wollte Euch nicht beim Frühstück stören.« Ich setze mich nur zu gern wieder hin, und etwas besorgt überlege ich, wie ich mir am besten den feuchten Stoff vom Hintern wegziehen kann, wenn ich das nächste Mal aufstehen muss. Mein Gatte setzt sich zwischen mich und Ariña. Lord Hector steht hinter ihm Wache.
Den höflichen Unsinn, den die anderen Frühstücksgäste nun von sich geben, kann ich kaum ertragen. Habt Ihr gut
geschlafen? Wie ist das Frühstück? Bitte sagt nur, wenn Ihr irgendetwas braucht! Und natürlich stellt man Fragen nach meiner Reise, Fragen, auf die ich einsilbig antworte, da ich weder über Aneaxis grauenvollen Tod noch über den Kampf im Dschungel sprechen möchte. Alejandro stellt mich allen Anwesenden vor, aber die Gesichter verschwimmen in meinem Kopf. Die Einzigen, die mir in Erinnerung bleiben, sind ein gewisser Conde Eduardo, General Luz-Manuel und natürlich die Condesa Ariña. Eigentlich bin ich gut darin, mir Dinge einzuprägen, und ich sollte mir jeden Namen merken, aber es fällt mir schwer. Ich bin noch
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