Der Feuerstein
grinst. »Du musst aufwachen, meine Elisa.«
»Elisa! Da ist jemand an der Tür.«
Ich öffne die Augen und sehe einen seidenen Baldachin, orange und korallenrot und mit Glasperlen eingefasst, die das sanfte Morgenlicht einfangen. Ximena rüttelt mich an der Schulter, während von der Tür her ein Klopfen erschallt.
»Ich glaube, du hast geträumt, mein Himmel.«
Meine Muskeln schmelzen in die seidenen Decken, ich lockere meine Kiefer und atme tief durch. Das Bett ist weich und nachgiebig. Genau richtig für ein Mädchen, das sich dem Tag nicht stellen will. Aber das Klopfen hört nicht auf.
Ich ziehe die Decke bis zum Kinn. Ximena lächelt verständnisvoll, als ich »Herein!« rufe.
Eine junge Frau tritt ein, etwa so alt wie ich. Sie ist zierlich und hübsch, mit schön geschnittenen Wangenknochen, und sie wirkt trotz ihres grob gesponnenen Kleides elegant und geschmeidig. Ihr tiefer Knicks sieht wie ein Tanzschritt aus, als wollte sie sich danach gleich wirbelnd wegdrehen. Mein Blick fällt auf das schimmernde schwarze Haar, das unter ihrer Dienerinnenhaube hervorlugt. Dann merke ich, dass sie auf die Erlaubnis wartet, mich ansprechen zu dürfen.
»Sprich.«
Sie erhebt sich und lächelt. Einer ihrer Vorderzähne neigt sich ein wenig nach innen. Ich konzentriere mich auf diesen kleinen Makel, während ihr Blick die Umrisse meines Körpers unter den Decken abschätzt, bevor er schließlich auf meinem Gesicht ruhen bleibt. Schwarze Augen blitzen
auf, als hätten sie eine wertvolle Entdeckung gemacht. Ganz leicht hebt die Dienerin eine Augenbraue, dann wird ihr Gesichtsausdruck gleichgültig, und sie senkt den Kopf.
»Man hat mich geschickt, um Euch bei der Vorbereitung für das Frühstück zu helfen.«
Mein Magen knurrt, und ich muss an frisch gebackenes Brot mit Honig denken, an Feigenkuchen mit gesüßter Kokosmilch.
»Wie ist dein Name?«, frage ich.
»Cosmé.« Sie spricht mit dem seltsam singenden Tonfall des Wüstenvolks.
Ich schlage die Decken zurück und setze mich auf. Der Fußboden ist ein ganzes Stück unter mir, und ich lasse mich vorsichtig über die Bettkante gleiten, bis meine Zehen auf den Bettvorleger aus Lammfell treffen. »Cosmé, meine Kleidung ist von der Reise noch völlig in Unordnung. Kannst du eine Bluse und einen Rock für mich auftreiben?«
Sie runzelt verwirrt die Stirn. »Vielleicht könnte ich ein Korsett und ein Kleid finden …« Dann zieht sie hörbar die Luft ein. »Ihr seid aus Orovalle!«
Eine böse Ahnung breitet sich in meinem Bauch aus. Mit einem Korsett werde ich wie ein gemästetes Ferkel aussehen, und außer bei meiner sogenannten Hochzeit habe ich niemals etwas so Einengendes anziehen müssen. Tragen denn die Frauen in Joya nur Korsetts?
»Ja, ich bin auf Besuch aus Orovalle. Du kannst mich Lady Elisa nennen.« Meine Kinderfrau wirft mir einen beifälligen Blick zu.
Cosmé knickst wieder. »Ich werde sehen, was ich finden kann, Lady Elisa.« Dann gleitet sie davon, als sei sie die
Prinzessin und ich eine dickliche Dienerin in einem rußverschmierten Kleid.
Während sie unterwegs ist, nehmen Ximena und ich die Suite, die aus drei Räumen besteht, ein wenig in Augenschein. Mein Schlafzimmer mit dem riesigen Bett verfügt über eine Frisierkommode, einen winzigen Balkon, der auf einen ausgedörrten Garten hinausgeht, Lammfellteppiche und große Kissen mit Quasten. Das kleinere Dienerinnengemach ist mit Alkovenbetten und einem Kleiderschrank ausgestattet. Ein kühles Atrium mit einem diskret verborgenen Abort und einem Badebecken verbindet beide Räume. Das Becken ist quadratisch und mit wunderschönen kleinen Fliesen gekachelt, handbemalt in Blau und Gelb. Ein schimmerndes Oberlicht taucht das Atrium in diffuses Gold. In der ganzen Suite gibt es keinen einzigen Stuhl. Mir fällt ein, wie Alodia davon berichtete, dass die Menschen in Joya d’Arena gern auf Kissen sitzen.
Von meinem Schlafzimmer geht eine weitere Tür ab, die jedoch verschlossen ist.
Die Suite ist nicht größer als meine Gemächer zu Hause, aber sie ist mit leuchtenderen Farben und edleren Stoffen ausgestattet. Ich liebe die Seide und die Gaze, die den Baldachin über meinem Bett und die Wände schmücken, doch mir fehlt das Plätschern der Springbrunnen, die wuchernde Allmanda, deren Ranken grün in meine Fenster lugen.
Während wir warten, bürstet und flicht mir Ximena das Haar. Das liebe ich am meisten am Morgen, weil es so schön ist, wie ihre Finger meine Kopfhaut berühren und sanft
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