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Der Feuerstein

Der Feuerstein

Titel: Der Feuerstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rae Carson
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den sie dann um meinen Kopf schlingt, während das übrige Haar leicht lockig über meinen Rücken fällt, während es trocknet. Mit sanften Fingern schwärzt sie meine Wimpern am äußeren Rand mit Kajal und tupft mir ein wenig Karmesin auf die Lippen.
    »Wie wäre es mit Jasminparfüm?«, schlägt sie vor.
    Der Jasmingeruch erinnert mich an zu Hause, an die Kletterpflanzen, die sich um die Spaliere in Mamás Blumengarten ranken. Und es erinnert mich an meine Schwester. Ich muss an ihre letzte Umarmung an jenem Tag im Burghof denken, wie uns ihr Parfüm einhüllte.
    »Sei schlauer als Alodia«, hat meine Kinderfrau warnend gesagt.
    »Nein danke, Ximena. Ich nehme lieber das Freesienparfüm.«
     
    Der Sitzungsraum ist niedrig und fensterlos, sodass ich mich unwillkürlich beim Eintreten ducke. Er erinnert an eine Schatzkammer, tief im Innern des Palastes. Die mit Flusskieseln
durchsetzten Wände werden von Fackeln erhellt, die Flügeltüren sind mit massiven Riegeln versehen. Das Gewicht der Geschichte senkt sich auf mich nieder, Jahrhunderte voller Machtkämpfe und verstohlener Treffen, geheimer Abmachungen und Kriegsräte.
    Wir sitzen auf roten Samtkissen um einen großen, niedrigen Eichentisch, der von zahllosen Fingern und Ellenbogen blankgescheuert ist. Alejandro setzt sich mit erhobenem Kopf im Schneidersitz an den Kopf des Tisches. Es ist sicherlich kein Zufall, dass er vom Siegel mit der goldenen Krone eingerahmt wird, das auf dem gestickten Wandteppich hinter ihm prangt. Ich sitze als Ehrengast zu seiner Rechten, General Luz-Manuel mit verstocktem Gesicht mir gegenüber zu Alejandros Linken. Neben ihm hat Lord Hector Platz genommen, der mir ermutigend zuzwinkert.
    Condesa Ariña schwebt schließlich als Letzte in den Raum und lächelt entschuldigend. Sie ist eng geschnürt und wunderschön mit ihrem schimmernden Haar und dem mattgrünen Kleid aus fließender Seide. Es fällt mir schwer, den Blick vom schmalen Bogen ihrer Taille abzuwenden.
    Conde Eduardo, ein untersetzter Mann mit schwarzem, von Silberfäden durchzogenem Haar, eröffnet unsere Sitzung. Zu meiner Freude zitiert er aus der Scriptura Sancta. »Wo auch immer fünf versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.« Fünf. Die heilige Zahl der Vollkommenheit.
    Er stellt mich formell vor – eine überflüssige Geste, die mir aber das Gefühl gibt, willkommen zu sein –, und die Sitzung des Quorums der Fünf beginnt.
    Der erste Punkt auf der Tagesordnung ist der Bau einer Werft in Puerto Verde. Ich zwinge mich dazu, mich auf die
langweiligen Einzelheiten zu konzentrieren, auf die Bereitstellung von Bauholz und Arbeitskräften und den Aufbau eines Systems, um die Kaufleute und Händler für die Liegeplätze zahlen zu lassen.
    Alodia hätte sich schnell zu Wort gemeldet, schlau formulierte Ansichten und kalkulierte Schmeicheleien geäußert, aber ich bin nicht meine Schwester. Stattdessen achte ich auf die emotionalen Gezeitenströme in den vielen Worten und lege mir innerlich einen kleinen Katalog darüber an, wer auf welche Themen besonders leidenschaftlich oder gleichgültig reagiert. Conte Eduardo hat ganz deutlich ein persönliches Interesse am Holzhandel, obwohl er nichts über seine Anteile verrät, und General Luz-Manuel täte vermutlich nichts lieber, als Brisadulce zu verlassen und gegen einen Posten an irgendeinem anderen Ort einzutauschen.
    Schließlich geht es doch um den Krieg. Conde Eduardo schwenkt ein Pergament, dessen gebrochenes Siegel hellrot leuchtet. »Wir haben eine neuerliche Bitte von Conde Treviño erhalten, Truppen ins Bergland abzuordern. Er sagt, die Lage sei sehr angespannt, und Feinde strömten zu Tausenden aus der Sierra Sangre ins Vorgebirge.«
    Ariñas Gesicht wird ausdruckslos bei seinen Worten, ihre Stirn so glatt wie Butter.
    Plötzlich bin ich hellwach und höchst interessiert.
    Alejandro beugt sich vor, und fast berührt sein Ellenbogen den meinen. »Irgendwelche Verluste?«
    Eduardo schüttelt den Kopf. »Bisher nicht. Aber mehrere Schafe sind verschwunden, und das nächste Lager liegt nur eine knappe Tagesreise von den weiter draußen gelegenen Dörfern entfernt.«

    General Luz-Manuel schlägt mit der Faust auf den Tisch. »Majestät! Wir können nicht zusehen und warten, bis der Feind angreift. Jeder Augenblick, den wir zögern, lässt Invierne an Stärke gewinnen.«
    Raunen wird laut. Alejandro starrt ins Leere, und Ariña rutscht auf ihrem Kissen hin und her und blickt auf ihren Schoß. Ganz offenbar

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