Der Feuerstein
sprechen sie nicht das erste Mal über dieses Thema und kommen jedes Mal wieder zu denselben schmerzvollen, vorhersehbaren Ergebnissen.
Conde Eduardo atmet tief ein, um Beherrschung bemüht. »Wir können uns nicht engagieren«, erklärt er mit angestrengter Stimme, »bevor wir nicht wissen, was unsere Gegner beabsichtigen. Sollen wir blindlings angreifen?«
»Für Euch ist das ja sicher sehr günstig«, faucht Ariña, »meinen Krieg von Euren Seedörfern aus zu planen, die sicher auf der anderen Seite der Wüste liegen.«
»Euren Krieg?«, höhnt Eduardo.
»Mein Volk. Mein Land. Mein Krieg.« Der Stahl, der in ihrer Stimme liegt, überrascht mich. Noch mehr überrascht mich, dass sie aus dem Bergland jenseits der Wüste stammt. Bei ihrer hellen Haut und den goldenen Augen hätte ich vermutet, dass sie an der Küste geboren wurde.
Der General beobachtet mich. »Vielleicht kann die Vertreterin Orovalles dazu etwas sagen.« Er lächelt mich so nachsichtig an, als sei ich ein kleines Kind.
Die Luft ist plötzlich heiß, die Wände der Kammer rücken seltsam nahe. Ich atme tief durch die Nase ein und spüre, wie Alejandros Blick auf mir lastet. Lord Hector nickt beinahe unmerklich.
Ich setze langsam an. »In Orovalle ist es unsere größte
Sorge, dass wir nichts über Inviernes Absichten wissen.« Zustimmendes Nicken von der Runde. »Der Botschafter von Invierne hat sich vor drei Jahren am Hof meines Vaters intensiv um den Zugang zu einem Hafen bemüht, ohne jedoch zu enthüllen, was sein Land damit bezweckt, abgesehen von einigen vagen Hinweisen auf Handelsbeziehungen. Im letzten Jahr reiste der Botschafter überstürzt im Schutze der Nacht ab. Angesichts der Geschichte unserer beider Länder rechnen wir seitdem mit dem Ausbruch des Krieges.«
»Hier war es genauso«, sagt Alejandro leise. Die Angst, die in seinen Augen steht, befremdet und beunruhigt mich. Jetzt, da ich ihn so vor mir sehe, erscheint es wenig überraschend, dass er im Kampf gegen die Perditos im Dschungel vor Entsetzen erstarrt ist.
Mein Blick verharrt auf seinem Gesicht, als ich fortfahre. »Aber warum? Weshalb brauchen sie so dringend einen Zugang zum Meer? Und wieso weigerten sie sich, uns dazu weitere Auskünfte zu erteilen? Die Belleza Guerra beschäftigt sich sehr ausführlich damit, dass es wichtig ist, den Feind zu verstehen. Ich denke, das sollte unsere größte Priorität sein.«
»Das will niemand bestreiten«, sagt Ariña. »Aber meinem Volk bleibt keine Zeit, um etwas über den Feind herauszufinden. Es braucht sofort Unterstützung.«
Damit hat sie natürlich recht.
Tränen glitzern in ihren Augen. »Ich bin es müde, auf einen Angriff Inviernes zu warten, warten, warten. Wieso bringen wir nicht den Krieg zu ihnen? Lasst sie uns doch ein für alle Mal vertreiben.«
Damit hingegen liegt sie völlig falsch.
Lord Hectors Blick ruht auf mir, und ich spüre, wie sein
Geist im Verborgenen herauszufinden versucht, was in mir vorgeht. »Ihr seid anderer Meinung, Hoheit.« Eine Feststellung, keine Frage.
Ich weiß, dass mir meine nächsten Worte Ariñas ewige Feindschaft eintragen werden, aber ich muss sie trotzdem aussprechen. »Das tue ich. Ich bin anderer Meinung.«
»Da haben wir’s!«, ruft Conde Eduardo. »Selbst die Prinzessin rät zur Vorsicht.«
Meine Augen verengen sich, bevor ich daran denke, meine Gefühle besser zu verbergen. »Ich bitte um Entschuldigung, aber ich habe überhaupt noch keinen Rat ausgesprochen.« Lord Hectors leises Nicken ermutigt mich fortzufahren. »Ich denke, wir sollten Invierne den Anfang machen lassen.«
»Wieso?«, fragt Alejandro. Sein Gesicht ist angespannt, wirkt aber eher fragend als herausfordernd.
Mein Ehemann legt Wert auf meine Meinung. Das ist geradezu berauschend. »Unser Heer wird sich in den Bergen nicht gut schlagen. Vor dreihundertfünfzig Jahren hat mein Land Invierne in der Schlacht von Baraxil besiegt, größtenteils, weil der heiße Dschungel für den Feind ein unbekanntes Terrain darstellte. Wieso sollten wir ihm nun einen solchen Vorteil zugestehen? Wir sollten ihn zwingen, auf Schieferstein und Sand und in der Hitze der Wüste zu kämpfen, nicht in den bewaldeten Bergen, an die er gewöhnt ist.« Allmählich komme ich in Fahrt. Mit jedem Wort werde ich selbstbewusster. »Wenn Invierne den Krieg an unsere Grenzen bringen muss, dann müssen sie ihr Heer über weite Strecken mit Proviant versorgen. Sie müssen ihre Nachhut schützen, und ihre Versorgungszüge sind
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