Der Feuerthron
ebenso schnell und Sianderilneh eine Meisterin darin, lokalen Wind zu schaffen. Sie selbst war dazu nicht in der Lage, sondern musste sich mehr auf ihr Gespür für die Strömungen des Meeres und die herrschenden Windverhältnisse verlassen.
Zunächst schienen sie dennoch im Vorteil zu sein. Sie umrundeten die Südostspitze Runias bei raumem Wind und hielten dann nach Westen, um die Verfolger glauben zu machen, sie wollten auf die nächstgelegene menschliche Inseln zuhalten. Gegen Mittag aber bockte das Boot und änderte eigenmächtig seine Fahrtrichtung. Noch bevor jemand fragen konnte, verzog Hekendialondilan ärgerlich ihr Gesicht.
»Da ist ein weiteres Schiff vor uns. Sianderilneh hat es wohl vorausgeschickt, damit es uns abfangen soll.« In ihrer Erregung sprach sie die Worte aus, statt sie zu senden, und informierte so auch Girdhan und die beiden anderen über ihre Verfolger.
»Was können wir tun?«, fragte Mera.
»Jetzt halten wir erst einmal nach Süden, bis wir den Schirm von Runia hinter uns gebracht haben. Was dann kommt, werden wir sehen. Das Meer ist jedenfalls groß genug, um mit unseren Verfolgern – wie nanntet ihr das? – Katz und Maus spielen zu können.«
Hekendialondilan hörte sich mutiger an, als sie sich fühlte. In diese Richtung ging es nach Girdania und zu den Ardhu-Inseln, aber um dorthin zu kommen, mussten sie etwa tausend Meilen offenen Wassers überwinden, in dem es nur hie und da kleine und kleinste Inseln gab. Zudem befand sich ziemlich genau vor ihnen, gleich am Rand des Schirmes von Runia eine der unangenehmsten Stellen des Ozeans, der jedes Lebewesen besser in weitem Bogen auswich. Wenn sie versuchten, dieses Gebiet östlich zu umgehen, würden sie in den Bereich des gurrländischen Kaiserreiches geraten. Hielten sie sich jedoch eher westlich, mussten sie damit rechnen, dass ihre Verfolger entsprechende Vorkehrungen trafen, weil sie genau das erwarteten.
»Also auf nach Südosten!«, sagte Hekendialondilan mit einem innerlichen Schaudern, welches auch das Boot ins Wanken brachte. Aber ein scharfer Befehl von ihr brachte es wieder dazu, seinen Kurs aufzunehmen und einen Strich weiter nach backbord zu segeln.
5
Sianderilneh glühte vor Zorn. Doch der galt weniger de m Mädchen, das sie verfolgte oder dessen Mutter, sondern sich selbst. Sie hätte damit rechnen müssen, dass Hekerenandil rasch handeln würde. Statt selbst sofort etwas zu unternehmen und die Menschen noch auf Runia gefangen zu nehmen, hatte sie wertvolle Zeit vergeudet und es diesem lästigen Balg Hekendialondilan ermöglicht, mit den Menschenkindern in See zu stechen. Wenn dem kleinen Biest auf dieser gefahrvollen Fahrt etwas zustieß, würden die anderen Runi sie dafür verantwortlich machen. Sie ballte die Fäuste und streckte ihre unsichtbaren Fäden aus, um nach dem Boot der Flüchtlinge zu greifen.
»Wir müssen es schaffen!«, erklärte sie ihren Begleitern etwa im selben Moment, in dem Hekendialondilan das Gleiche zu Mera und den anderen sagte.
Ein Runi, der kurz vor dem großen Krieg geboren worden war, versuchte, seine Anführerin zu beruhigen. »Hekendialondilan kann uns doch nicht entkommen. Der Zauber ihres Bootes erlaubt ihr nicht, sich über den Schirm von Runia hinauszubewegen.«
»Narr!«, fuhr Sianderilneh ihn an. »Ich schmecke es bereits hier im Wasser, dass Hekerenandil diesen Einschränkungszauber von dem Boot genommen hat. Wenn das Mädchen will, kann es bis nach Gurrland fahren.«
Sie ärgerte sich nun auch über ihre Gefährten, die diese Jagd als amüsante Abwechslung anzusehen schienen. Dabei war die Sache viel zu ernst. Hekendialondilan wusste einfach zu viel. Wenn sie menschlichen Magiern in die Hände fiel, würden diese ihr das Geheimnis mit Hilfe ihrer Zaubertränke entreißen.
»Ich werde das kleine Biest verprügeln und anschließend einen Erstarrungszauber über ihr weben, an dem ihre Mutter etliche Jahre zu knabbern hat!«
Ihr Ausbruch entlockte ihren sechs Begleitern ein Lächeln. Ihnen war bewusst, dass ihre Anführerin für jedes Haar, das sie der Kleinen krümmte, dem Rat würde Rede und Antwort stehen müssen. Das war auch Sianderilneh klar, und daher schwor sie, sich stattdessen die vier anderen besonders vorzunehmen.
»Ich werde diese Menschenbrut erstarren lassen und an der tiefsten Stelle des Ozeans über Bord werfen!«, sendete sie in ihrer Erregung.
Diesmal lächelte keiner mehr. Die sechs jungen Männer sahen sich betreten an und versuchten, sich gegen
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