Der Feuerthron
kehren wir zu unserem Boot zurück. Ich habe nämlich Hunger.« Mit den Händen in den Hosentaschen stiefelte Kip davon. Mit Kindern hatte er wenig am Hut. Er würde ein paar Krebse und Fische fürs Abendessen fangen, auch wenn sie sie zu seinem Leidwesen roh verspeisen mussten. Auf dieser Insel gab es leider nichts, was sich als Brennstoff verwenden ließ. Selbst als er hoffnungsvoll am Strand entlanglief, fand er kein einziges Stückchen Treibholz.
»Na ja, wenigstens schmecken diese Fische auch ungebraten«, meinte er zu Girdhan, der sich ihm angeschlossen hatte, und stieß ihn in die Seite. »Hättest du gedacht, dass Mädchen sich wegen eines kleinen Bengels so aufführen können?«
Sein Freund zuckte mit den Schultern. »Das liegt wohl in ihrer Natur, so wie bei dir das Meer. Du, schau! Was hältst du von dem Brocken da drüben?« Girdhan zeigte dabei auf einen Riesenkrebs, der für mehrere Mahlzeiten reichen mochte.
»Den müssen wir erwischen!« Sofort hatte Kip den kleinen Jungen vergessen und rannte hinter dem Krebs her, der mit gefährlich knackenden Scheren dem offenen Meer zustrebte.
14
Mera, Hekendialondilan und Careela kümmerten sic h nicht um Kip und Girdhan, sondern trugen den kleinen Jungen zu ihrem Boot und stopften ihm ein paar Wunschbeeren in den Mund. Der Kleine kaute munter darauf herum, und seinem Gesichtsausdruck nach schien es ihm zu schmecken. Mera filterte neues Trinkwasser, füllte einen der Becher und hielt ihn dem Kleinen an den Mund. Der Junge schluckte so gierig, dass das Gefäß im Nu leer war und sie es noch einmal in den Eimer tauchen musste.
»Jetzt stehen wir vor zwei Problemen«, sagte sie zu ihren Freundinnen. »Zum einen brauchen wir dringend Kleidung für den Kleinen und dann auch einen Namen.«
Ihr Blick streifte dabei Fleckchen und Timpo, die in der Nähe standen und noch nicht so recht zu wissen schienen, was sie von dem unverhofften Zuwachs halten sollten. Die Hündin kam schließlich näher und beschnupperte den Jungen. Der hatte keine Angst vor dem Tier, sondern versuchte es zu streicheln.
»Guter Hund!«, sagte er. Es waren die ersten Worte, die er von sich gab.
»Der Kleine kann ja sprechen!«, rief Careela verdattert.
»In seinem Alter ist das kaum ein Wunder. Da plappern die Kleinen schon viel herum.« Mera erinnerte sich an die Fischerfrauen, die ihre Mutter besucht und dabei ihre Kinder mitgebracht hatten. Die Kleinen waren keinen Augenblick still gewesen, und so hatte man sie ihr aufgehalst, damit die Frauen ungestört miteinander reden konnten. Schon aus diesen Erfahrungen heraus wollte sie die Pflege des Jungen nicht übernehmen. Sie war eine Hexe und musste jeden Augenblick darauf gefasst sein, ihre Kräfte einzusetzen. Careela aber hatte sich bisher vor jeder Pflicht gedrückt, und da war es ganz gut, wenn sie endlich beschäftigt wurde.
»Deine Überlegungen gefallen mir«, sendete Hekendialondilanzu Mera. Die Runi schien sich jetzt, nachdem sie ihren ersten Schreck überwunden hatte, sogar ein wenig zu amüsieren. Selbst konnte sie mit dem Jungen nichts anfangen, denn in ihrem Volk gab es außer ihr keine Kinder, und menschlicher Nachwuchs dieser Größe war ihr bisher noch nie begegnet.
»Also ist es beschlossen! Careela wird seine Ersatzmutter. Jetzt bekommt er einen Namen.« Mera wollte gerade etwas vorschlagen, als der Kleine sie anlächelte und »Argo!« sagte.
»Wie es aussieht, hat er bereits einen Namen!« Careela gefiel es, Mera, die sich ihrer Ansicht nach zu sehr aufspielte, einen kleinen Dämpfer zu verpassen.
»Heißt du Argo?«, fragte Mera den Kleinen.
Dieser nickte. »Ich heiße Argo, und wie heißt du?«
»Mera. Das hier ist Hekendialondilan. Sie ist etwas ganz Besonderes, nämlich ein Mädchen aus Runia, und das hier ist ...«
»Auch etwas Besonderes!«, schnitt Careela ihr das Wort ab. »Ich bin Careela, die Schwester der regierenden Fürstin des Volkes von Ardhunar, und damit eine Hoheit und Prinzessin!«
»Als wenn der Kleine diese Spitzfindigkeiten begreifen würde«, spottete Mera und tippte ungeduldig mit den Zehen aufs Deck. »Wir brauchen etwas zum Anziehen für den Jungen; wir können ihn doch nicht wie einen Säugling einwickeln.«
»Uns wird wohl nichts anderes übrig bleiben! Oder siehst du hier einen Kleiderladen oder einen Stoffhändler? Außerdem habe ich kein Nähzeug bei mir. Sonst könnte ich ihm etwas Hübsches nähen!« Careela hatte eigentlich nur mit ihren Fertigkeiten mit Nadel und Faden angeben
Weitere Kostenlose Bücher