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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Sie wuchtete den Kristall unter viel Mühen hoch und schleppte ihn Richtung Höhle.
    Mera wollte die Prinzessin daran hindern, denn sie mochtedieses unheimliche Ding nicht einmal in die Nähe von Hekendialondilans Boot bringen lassen. Da bemerkte sie, dass der Kristall Risse bekam und zu bröckeln begann. »Vorsicht!«, rief sie noch, doch dann ging alles blitzschnell.
    Die Kugel löste sich in Careelas Händen in leuchtenden Staub auf, den der Seewind mit sich trug, und an ihrer Stelle hielt die Prinzessin einen etwa zweijährigen Jungen in den Armen.
    Während Careela mit weit aufgerissenen Augen auf das Kind starrte, begann Kip schallend zu lachen. »Das geschieht dir recht, Euer Raffgierigkeit! Du wolltest nicht mit uns teilen und hast dafür diesen Balg am Hals.«
    Da Careela aussah, als wollte sie den Kleinen, der eben seine Augen aufschlug und sich verwundert umblickte, in die nächste Pfütze werfen, schritt Mera ein. »Nun hast du wenigstens eine sinnvolle Aufgabe: Du wirst dich um den Jungen kümmern!«
    »Ich will aber nicht!«, kreischte Careela empört auf.
    »Oh doch! Du wirst es tun, sonst lassen wir dich hier auf dieser Insel zurück!« Meras Drohung war nicht ganz ernst gemeint, aber dennoch schüchterte sie die Prinzessin so ein, dass diese das Kind erschrocken an sich drückte.
    Mera wandte sich Hekendialondilan zu. »Hast du eine Ahnung, wie Arghan zur Welt kommen?«
    »Du meinst, es könnte ein Arghan-Ei gewesen sein? Den Bildern nach, die ich von anderen meines Volkes erhalten habe, sehen die ganz anders aus. Sie sind viel größer und eher länglich. Dazu besitzen sie keine harte Schale, sondern einen festen, lederartigen Überzug, den keine Klinge ritzen kann. Wahrscheinlich ist das hier nur ein übler Trick dieses Wassuram, mit dem er unseren Arghan ausschalten wollte.«
    »Wenn das so ist, dann kann ich den Bengel ja irgendwo ablegen, und wir vergessen ihn«, sagte Careela hoffnungsvoll.
    Mera fuhr ihr über den Mund. »Du tust nichts dergleichen! Wir haben dieses Kind gefunden und sind dafür verantwortlich. Alsowirst du für ihn sorgen, als wärest du seine Mutter! Welche magische Farbe hat er eigentlich?«
    Mera legte ihre Hand auf die Stirn des Kleinen und schloss die Augen. Sie hatte in den letzten Wochen gelernt, magische Farben zu erkennen und auseinanderzuhalten. Doch hier vermochte sie es nicht genau zu sagen. Das Blau, das sie in dem Jungen spürte, schmeckte auch ein wenig nach ihr selbst und das Weiß nach Hekendialondilan – oder zumindest nach Runi. Auch dünne Spuren anderer Farben kreisten in ihm, so als hätte er keine eigene Zugehörigkeit zu einem Gott. Als sie ihre Hand zurückzog, zuckte sie mit den Achseln.
    »Vielleicht weiß man bei Kindern noch nicht genau, in welche Richtung sie gehen. Oder der Junge hatte ein weiß-blaues Elternpaar. Gemischtfarbige Beziehungen werden zwar nicht gern gesehen, aber es hat meines Wissens welche gegeben.«
    Careela lachte spöttisch auf. »Aber wie ist der Bengel dann in diesen Kristall gekommen, Hexe Sechsmalklug?«
    »Hast du vergessen, was Sianderilneh mit uns gemacht hat?«, erinnerte Mera sie. »Wahrscheinlich hat dieser unsägliche Wassuram das Kind versteinert und in diesen Kristall eingeschlossen. Der Zauber ist mit der Zeit mürbe geworden und zum Glück für den Kleinen in dem Augenblick erloschen, als wir die Hülle berührt haben. Wäre das arme Würmchen allein herausgepurzelt, hätte es hier elend verenden müssen.«
    »So muss es gewesen sein«, stimmte Hekendialondilan ihr erleichtert zu. Sie verlor nun ihre Scheu vor dem Kleinen und strich ihm sogar zärtlich über die Stirn.
    Der Kleine sah sie mit strahlend blauen Augen an, in denen winzige weiße Sterne glitzerten. Gerade das Weiß machte es ihr leichter, sich mit seinem überraschenden Auftauchen abzufinden. Sie betrachtete ihn genauer und entdeckte, dass er zusätzlich zu seinem menschlichen Aussehen auch Merkmale ihres eigenen Volkes aufwies. Ihrer Schätzung nach war er ein Mischling mit etwa einemachtel Anteil Runiblut. In der heutigen Zeit, in der ihre Leute sich von den Menscheninseln fernhielten, würde so ein Wesen bei ihrem Volk wohl nicht mehr gut aufgenommen. Aber der Junge stammte aus einer anderen Epoche, in der die heutigen Gesetze noch nicht gegolten hatten.
    »Er ist hübsch!«, sagte die junge Runi, ohne jedoch Careelas stummer Aufforderung nachzukommen, den Kleinen an sich zu nehmen.
    »Hier auf dieser Insel gibt es rein gar nichts. Am besten

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