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Der Feuerthron

Der Feuerthron

Titel: Der Feuerthron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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kündete nur noch ein rötlicher Strich davon, dass ihn eine monströs große Krebsschere erwischt hatte.
    »Du bist verdammt gut! Wenn wir wieder in Ilynrah sind, wirst du mit diesen Fähigkeiten ein Vermögen machen!«, lobte Kip sie.
    Mera schüttelte sich. Ihr schien es, als würde sie Ilyndhir niemals mehr betreten. Andererseits hatte sie gar keine andere Wahl. Sobald Girdhan in Sicherheit war, musste sie nach Hause zurückkehren und sich im Magierturm von Ilynrah ausbilden lassen. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es sein würde, wenn sie nicht mehr in dem einfachen Kleid eines Fischermädchens durch die obere Stadt spazieren würde, sondern mit dem blauen Umhang und dem Federbüschel einer Junghexe. Doch es gelang ihr nicht einmal, sich den Anblick ihrer Heimatstadt ins Gedächtnis zu rufen. Ilynrah schien ihr auf einmal so fern zu sein wie die sechs Monde in den Farben der Götter.
    Mit Tränen in den Augen wandte sie sich ab. »Wir sollten in die Höhle zurückkehren. Die anderen warten sicher schon auf uns. Außerdem wird es bald dunkel!«
    Kip wollte ihr schon sagen, dass es mindestens noch zwei Stunden hell sein würde, doch ihm blieben die Worte im Hals stecken. »Das gibt es doch nicht!«, rief er, als er sich wieder gefasst hatte. »Was?«, fragte Mera verständnislos. Dann sah sie es selbst.
    Knapp über dem östlichen Horizont stand der Weißmond als bleiche Scheibe am Himmel, und sein kaum sichtbares Licht ließ die Felsen der Insel aufglimmen. Feurigen Spuren gleich zogen sich die magischen Farben über das Gestein, sammelten sich hier und dort zu größeren Flecken und verschwanden dann in der Tiefe, um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Selbst Schwarz, das Mera nur mit ihren magischen Sinnen erkennen konnte, war dabei. Kip sah nur einen Teil dessen, was sie selbst wahrnahm, doch das Schauspiel war auch für ihn erschreckend und faszinierend zugleich.
    »Ich glaube, wir sollten besser von hier verschwinden.« Girdhan war mit seinem Fischzug fertig geworden und gesellte sich gerade wieder zu ihnen. Im Licht des weißen Mondes begannen seine Augen zu tränen und ihm war, als brenne heißer Sommerwind auf seiner Haut. Nicht zum ersten Mal, aber wohl am heftigsten wünschte er sich, wieder der Schankbursche im »Blauen Fisch« zu sein und keine magischen Fähigkeiten zu besitzen, die ihm doch nur Schmerzen und Ärger bereiteten.
    »Das dürfte das Beste sein!« Mera folgte Girdhan, der bereits weitergegangen war.
    Kip aber blieb auf seinem Felsen sitzen und blickte sich mit kindlich staunenden Augen um. Der nächste Mond stieg über dem Horizont hoch und leuchtete in sattem Blau. Das Farbenspiel auf der Insel wurde noch stärker, und das Licht formte an einigen Stellen so etwas wie eine lebendige Landschaft. Kip glaubte größere Hügel zu sehen, auf denen hohe Bäume wuchsen, und als er zur Höhle zurücklaufen wollte, um seine Freunde zu rufen, strömte ein stattlicher Fluss über die Stelle, an der sich der Eingang befand.
    Erschrocken sah Kip sich um. Die Bucht, in die sie gefahren waren, gab es nicht mehr, und vom Meer war ebenfalls nichts zu sehen. Das Land reichte von Horizont zu Horizont, und nicht weit von ihm entfernt ragte ein kleines Gebirge in den Himmel.
    Kip schüttelte sich vor Entsetzen. Er konnte nur annehmen, dass ein böser Zauber ihn von seinen Freunden getrennt und in einfernes Land versetzt hatte, das von einem unheilvollen, sechsfarbigen Licht erfüllt war. Die Erinnerung an das riesige Skelett stieg in ihm auf, und er erwartete, jeden Augenblick ein Ungeheuer vor sich auftauchen zu sehen, das ihn fressen würde. Nun geriet er in Panik und begann gellend zu schreien.
16
    Mera vernahm Kips Hilferufe, stürzte aus der Höhle und schwamm mit einem Mal im Wasser. Im ersten Moment glaubte sie, die Insel würde überschwemmt, doch da sah sie die leuchtenden Farben um sich und die von grünem Licht erfüllten Bäume. Sie war so verblüfft, dass sie vergaß, Arme und Beine zu bewegen, und unterging.
    Hustend und prustend kam sie wieder an die Oberfläche und drehte sich um die eigene Achse. Das, was sie geschluckt hatte, war Süßwasser gewesen. Verwirrt schwamm sie auf das ihr nächstgelegene Ufer zu und kletterte an Land. Oben auf dem Hochufer merkte sie, dass sie an einem Fluss aus magisch schimmerndem Wasser stand. Das Gewässer war kleiner als der Blaue Fluss bei Ilyndhir, aber breit genug, um mit Booten befahren werden zu können. Aber das war jetzt nicht wichtig. Kip

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